Frontpropaganda bei Feind und Freund
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Auch bei mehr als 30 Fliegerbroschüren und -büchern, die die Franzosen
an der Westfront abwarfen, kam wiederholt das Trickmittel der Mimikry zur
Verwendung. Lin Gedichtheftchen: Siegfried Balder, „Sturmläuten" war mit
einem schwarzrotgoldenen Band, den deutschen demokratischen Farben von 1848 und
der späteren Novemberregierung, versehen. Vas Buch: Greiling, „Vas verbrechen"
hatte eine Packung in Schwarz-Weiß-Rot mit einem Eisernen Kreuz. vie bereits
obengenannte „Feldpost" wies ebenfalls die Reichsfarben mit Reichsadler auf und
sah, man möchte fast sagen: deutscher als deutsch aus. Alles in allem wies diese von
lauter Einfällen schillernde, sprunghaft die Aufmachung wechselnde, vor keinem Mittel
zurückschreckende französische Frontpropaganda kein sympathisches Gesicht auf.
von der belgischen Frontpropaganda
Diese wurde von Le Havre, dem Sitz der geflüchteten belgischen Regierung, aus
dirigiert und im besonderen von dem dortigen Okkice de propagande beige heraus¬
gebracht. Dabei handelte es sich um belgische Fliegerzettelpropaganda in französischer
und flämischer Sprache, die für die Bevölkerung des besetzten Belgiens bei ver¬
schiedenen Anlässen herausgebracht wurde, sowie um den Vertrieb von einigen
belgischen Geheimzeitungen in einer charakteristischen Fliegerausgabe, nämlich in
winzigem Format.
Charakter der belgischen Frontpropaganda
Dieselbe hat völlig ihr eigenes Gesicht und unterscheidet sich wesentlich von den
einschlägigen französischen Erzeugnissen. Sie ist nämlich nicht für den Feind, die
deutschen Feldgrauen, bestimmt, sondern für die eigenen Landsleute, die im besetzten
Belgien unter deutscher Verwaltung, die von Brüssel ausging, leben und glühend
belgisch empfinden. Alle diese Fliegerzettel atmen heiße Vaterlandsliebe, natürlich
auch fanatischen Deutschenhaß, sie widerspiegeln die Leiden der Kriegsjahre, unter
denen dieses kleine, aber unbeugsame Volk besonders litt.
Belgische Fliegerzettel
Da gab es Fliegerabwürfe, die in vollendet schöner Wiedergabe Bilder des Königs
und der Königin von Belgien mit französischem und flämischem Text brachten. Kleine
Zettel mit einfachem Text in den zwei Landessprachen fordern die Bevölkerung zum
standhaften Aushalten und Durchholten auf. Gegen die autonomistischen Bestrebungen
des Rates von Flandern (Raad van Viaanderen), die von Gent ausgingen und von
dem deutschen Gouvernement in Brüssel tatkräftig gefördert wurden, wird energisch
und temperamentvoll Stimmung gemacht. Gelegentlich taucht als Fliegerzettel ein
„Vlaamscb Protest" königstreuer Belgier in Le Havre gegen diesen gefährlich
aktiven, ziemlich deutsch orientierten Rat von Flandern auf. Andere Fliegerzettel
richten sich gegen die Wegnahme belgischer Maschinen in Fabrikbetrieben durch die
Berliner „Wumba".
Belgische Geheimzeitungen
von den etwa 20 verschiedenen belgischen Geheimzeitungen, die teils von Le
Havre ausgingen und in Belgien eingeschmuggelt wurden, teils im besetzten Belgien
selbst, besonders in Klöstern (!) insgeheim entstanden, tauchen einige in winzigen
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