Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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August ©dünget 
in England wie eine Sommerfrische anmutet. Das heft wurde von Fliegern in großen 
Mengen über die deutschen Linien ausgeschüttet, ohne daß der erwartete Erfolg auf 
Lähmung des Willens zur harten Pflicht eintrat. 
Die Leiden der deutschen Gefangenen beschränken sich indessen nicht allein auf 
Angehörige der Wehrmacht und nicht allein aus Männer. Gleich zu Beginn des 
Krieges wurden in den feindlichen Staaten alle dort lebenden Deutschen, ohne Unter¬ 
schied des Mers und Geschlechts, festgenommen, in Konzentrationslager verbracht 
und als Zivilgefangene behandelt. Ebenso ging es nach der Eroberung der deutschen 
Kolonien, wobei noch erschwerend ins Gewicht fällt, daß es sich hier um ferne Tropen¬ 
länder handelt, die sich gar nicht im Bereich der Kriegszone befanden. 
Nur wahres soll hier erzählt werden 
vom Schicksal all dieser Menschen und wie sie es ertrugen, will ich nun einiges 
hier dem Leser naheführen. Meine Varstellung stützt sich aus unanfechtbares Huellen- 
material. Einmal auf über zwanzigtausend Berichte von ehemaligen Gefangenen, 
die mir seinerzeit direkt auf öffentliche Aufforderung zugingen (vgl. „Gegenrechnung", 
„Süddeutsche Monatshefte", Mai 1921 und „vie Bestie im Menschen", ebenda Juli 
1923), ferner auf die amtlich zu Protokoll gegebenen Aussagen von Deutschen und 
Ausländern, alle an Eides Statt abgegeben bzw. eingesandt und mit vollem Namen 
und Adresse unterzeichnet. Alle Berichte wurden peinlich geprüft und ihnen nur ent¬ 
nommen, was von einer größeren Anzahl von Personen aus verschiedensten Teilen 
des Reichs übereinstimmend ausgesagt wurde. Mit diesem Grundsatz glaube ich, 
allen Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Wahrhaftigkeit meiner Schilderung 
gerecht geworden zu sein. 
Haßpsychose der Feinde und Gefangenenbehandlung 
wie war es möglich, so muß man sich fragen, daß gesittete Völker von ansehn¬ 
lichen Kulturleistungen, wie die Franzosen und die Engländer, in die Tollheit ver¬ 
fallen konnten, gegen wehrlose Gefangene, nicht nur gegen die Kämpfer, sondern 
auch gegen Greise, Frauen und Kinder Gewalttätigkeiten und Grausamkeiten zu ver¬ 
üben, vor denen Völker niedrigster Kulturstufe zurückgeschreckt wären. 
Schon lange vor dem Kriege waren alle Instinkte der Brutalität und der Leicht¬ 
gläubigkeit in den feindlichen Ländern gegen uns von denen aufgestachelt worden, 
die das Volk am Zügel hielten, von seinen Führern, den Politikern, der Presse und 
seinen Erziehern, was hier gesät wurde, brach nun bei Beginn des Krieges schon mit 
elementarer Leidenschaftlichkeit hervor. 
Denselben Geist atmeten die Anweisungen, die von den hohen Dienststellen aus¬ 
gingen. Für das französische System der Gefangenenbehandlung ist schon bezeichnend, 
daß sie der Abteilung „Verbrechen und Militärgerichtsbarkeit" zugeteilt war. Daraus 
wird begreiflich, daß das Kriegsministerium niemals gegen die Ausschreitungen 
seiner Untergebenen vorging. Eine Reihe von Maßnahmen, die gegen Völkerrecht 
und Völkersitte verstießen, gingen unmittelbar aus diesem Ministerium hervor, harte 
Befehle machten menschlich fühlenden Lagerkommandanten fast jede Erleichterung des 
Loses ihrer Schützlinge unmöglich. Zum Beweise der dort herrschenden Gesinnung 
kann ich mich begnügen, den wörtlich der französischen Zeitung „U'Oeuvre" entnom¬ 
menen Tagesbefehl des Chefs eines großen Kriegsgefangenenlagers hierher zu setzen:
	        
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