Vom unbekannten Heldentum
deutscher Gefangener Ln Feindesland
Don Umversitatsprofessor Dr. August Gallinger
Viel zu rasch hat das deutsche Volk vergessen, was seine Brüder und Schwestern
in stillem, klaglosem Heldentum erduldeten. Oie nach dem Kriege erschienenen Werke
politischer und militärischer Verfasser zeichnen in der Kegel ein Bild der großen Zu¬
sammenhänge, lassen aber dabei den Leser kaum ahnen, von welchem Ausmaß
körperlicher und seelischer Leistung der unbekannten einzelnen Menschen jenes tra¬
gische Ringen getragen wurde. Streifen aber die Gedanken einmal zu dem „un¬
bekannten Soldaten", so verbinden sich damit Vorstellungen von der Hölle des
Schützengrabens, verwüsteten Schlachtfeldern, mörderischem Granatfeuer und dem
Getümmel des Nahkampfes. Der Kämpfer ist es, der allein gewürdigt und bewundert
wird.
Auch unter den Gefangenen gab es Helden!
Richtig, es wurden auch viele gefangen. Mit denen beschäftigt man sich nicht
gerne. Nach einer immer noch bestehenden romantischen Vorstellung sind das keine
ganz vollwertigen Soldaten, ver heldische Soldat „stirbt, aber ergibt sich nicht". Dabei
vergißt man zunächst, daß diese Gefangenen, die häufig, sogar von recht hohen
Stellen — die freilich keine Gelegenheit hatten, den Satz „die Garde stirbt, aber ergibt
sich nicht", an sich selbst zu erleben — geschmäht wurden, bis zur Stunde ihrer Ge¬
fangennahme selbst zu jenen bewußten Kämpfern gehörten. Man übersieht ferner,
daß viele Tausende verwundet oder krank in die Hände des Zeindes fielen und die
übrigen unter Umständen, da ein Widerstand ein nicht nur völlig nutzloses, sondern
für das Vaterland sogar schädliches Gpfer gewesen wäre.
vie ersten Stunden der Gefangenschaft
Wer sich der ersten Stunden nach der Übergabe erinnert, sieht noch die von Gram,
Erbitterung und brennender Scham verzerrten Mienen der Männer, die wehrlos
sich den Händen des Zeindes, ohne Aussicht aus Rückkehr zu den kämpfenden Kame¬
raden, preisgegeben fühlten. Unsere Zeinde gaben vor, uns zu verachten, bemühten
sich sogar, uns zu verachten, aber die Haltung unserer Gefangenen hat ihnen Achtung
abgenötigt. Man täuschte sich auch in der Einschätzung des deutschen Soldaten, als
man mit illustrierten Schriften, die ihm das Leben in der Gefangenschaft in den ver¬
lockendsten Beleuchtungen schilderten, auf ihn einzuwirken versuchte, vor mir liegt
ein solches heft, betitelt „Deutsche Gefangene in England", in deutscher Sprache
abgefaßt, mit Photographien versehen, nach denen der Aufenthalt der Gefangenen