Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Wehr und Wirtschaft im großen Kriege 
Von Ministerialrat Prof. Dr. Heinrich Hunte, Berlin 
•3m Denken der Vorkriegszeit gehörten wohl Soldat und Krieg, Frieden und 
Wirtschaft zueinander, daß aber zwischen Volk und Landesverteidigung, zwischen 
Wehr und Wirtschaft auch Zusammenhänge bestehen, ist eine Erkenntnis, die erst in 
vier schweren Kriegsjahren und fünfzehn langen Jahren Nachkriegsentwicklung müh¬ 
sam erworben werden mußte. Es erscheint uns heute unfaßbar, daß es einmal eine 
Zeit gegeben haben soll, in der die Erkenntnis der Einheit von Freiheit und Brot 
nicht vorhanden, geschweige denn diese Einheit lebendig gewesen ist. Aber dem ist so. 
Es gibt wohl kein Gebiet menschlichen Wissens und Tuns, auf dem der Umbruch, 
in dem wir stehen, so gewaltige Umwälzungen vollzogen hat und noch vollziehen 
wird, wie in der Wirtschaft. Drei schlichte Worte: Friedenswirtschaft — Kriegswirt¬ 
schaft — Wehrwirtschaft bezeichnen die historischen Etappen der Entwicklung und die 
Tatsache, daß die Wirtschaft wieder Anschluß gefunden hat an ihr Subjekt, ihren 
Träger und ihren Schöpfer: das Volk. 
Es kann natürlich nicht Aufgabe dieser kurzen Darstellung sein, diese Wendung 
eingehend zu schildern und historisch zu werten, obwohl es bis heute keine Geschichte 
dieser Entwicklung gibt, und andererseits das große verfuchsmaterial dieses gewal¬ 
tigsten wirtschaftspolitischen Laboratoriums aller Zeiten — denn das ist die Kriegs¬ 
wirtschaft — nach einer solchen Darstellung drängt. Aber es mag in kurzen Skizzen 
die ganze Problematik vor uns entstehen, die unser Volk seit jenen denkwürdigen 
Augusttagen von 1914 erlebt hat, um das zu erkennen, was allmählich wird und 
werden muß. 
Die Friedenswirtschaft 
Dem Vorkriegsmenschen war Wirtschaft privat- und Friedens¬ 
angelegenheit. Es ist angesichts dieser Tatsache verständlich, daß die Volkswirt¬ 
schaftslehre das Verhältnis von Rüstung und wirtschaft kaum jemals gesehen, zu¬ 
mindest aber geflissentlich unbeleuchtet gelassen hat. „Die Wirtschaft an sich" war der 
Ausgangspunkt aller Erörterungen über wirtschaftliche Fragen. Theorie und Praxis 
betrachteten dementsprechend Zölle, Steuern, Krieg und alles, was sonst mit dem 
Staat zusammenhängt, als Störungen des natürlichen Ablaufs der Wirtschaft. Sie 
beschränkte sich in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Glauben an die wirt¬ 
schaftsfriedliche Eroberung der Welt durch das deutsche Volk auf die Feststellung, daß 
die Kriegführung infolge der wirtschaftlichen Entwicklung sehr viel schneller und 
energischer geworden, und dadurch ein langer Krieg unmöglich sei. Der wirtschaftliche 
Liberalismus lehrte ja darüber hinaus grundsätzlich, daß die Wirtschaft von sich aus 
durch das materielle Erwerbsstreben des liomo oeconomicus langsam aber sicher die
	        
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