Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Max Schwarte 
herstellungsverband gebildet hatte, der alle in Betracht kommenden Werke um¬ 
faßte und eine rationelle Verteilung der Arbeit auf diese durchführte. So kam man 
im Januar auf insgesamt 1950000, im Februar 1915 auf 2120000 Geschosse, von 
denen allerdings etwa ein Drittel nicht laboriert war. Aber auch diese Steigerung 
war nur möglich gewesen dadurch, daß man — analog wie in Deutschland — minder¬ 
wertige (eine Art Grauguß-) Geschosse herstellte und die Ansprüche bei der Ab¬ 
nahmekontrolle herabminderte. Die Folgen blieben nicht aus,' zahlreiche Rohr¬ 
detonierer mit erheblichen Mannschasts- und Geschützrohrverlusten verursachten eine 
starke Beunruhigung bei der Truppe. Die nun wieder verschärfte Nontrolle ließ die 
Erzeugung im März 1915 erneut auf 1580000 Schuß sinken. Erst durch die Kenntnis 
dieser Tatsachen wird es verständlich, daß die Munitionskrise des deutschen Heeres ohne 
schlimmste Folgen geblieben ist,' sie bestand auch beim Gegner. — Zu diesen Schwierig¬ 
keiten der Feldgeschütze traten ähnliche Sorgen bezüglich der schweren und 
schwersten Geschütze, deren Frankreich in den Festungen und Belagerungsforma¬ 
tionen eine ziemlich große Zahl, teilweise allerdings älterer Konstruktion, besaß. Da 
aber auch die letzteren eine der deutschen Feldartillerie überlegene Schußweite hatten, 
wurden sie auf den erstarrenden Fronten in steigender Zahl eingebaut. Nur: zur 
nachhaltigen Wirkung bedurften sie der Munition. Konnte diese aber schon der Feld- 
artillerie nur unzureichend geliefert werden, so für die schweren Geschütze erst recht 
nicht. 1000 Schuß für alle Kaliber — mittlere und schwere — insgesamt waren 
das Höchsterzeugnis je Tag in den ersten Kriegsmonaten, das im März 1915 
auf 47000, im April auf 57000 Schuß monatlich stieg. So mußte man auch hier 
zu neuen Maßnahmen und stärkster Anregung schreiten: Zm Dezember 1914 vergab 
die Regierung im Generalauftrag 660000 Geschosse für 90-, 95- und 105-mm-Ge- 
schütze, 340000 Schuß für 120- und 155-mm-Geschütze, 50500 Schuß für 220- bis 
370-mm-Mörser — insgesamt mehr als 1 Million Geschosse im Betrage von 80 Mil¬ 
lionen Francs. Oie französische Kammer stand Kopf über diesen, geradezu wahnsinnig 
scheinenden Auftrag. Sie hat sich aber bald noch an ganz andere Zahlen und ganz 
andere Beträge im Inlands und Auslande gewöhnen müssen — Beträge, die 1919 
in die ungeheuerlichen Reparationsforderungen eingestellt wurden. 
Mit fortschreitender Zeit besserte sich der Rüstungsstand auch in Frankreich. Etwa 
zur gleichen Zeit, als man in Deutschland in der Lage war, die Graugußgeschosse 
durch Thomasstahlgeschosse zu ersetzen, konnte man in Frankreich sie durch Geschosse 
ähnlicher Art (tonte aciöräe) ersehen, bis man nach Jahresfrist endlich wieder zu 
normaler Munition kam. Bis dahin hatte das Kriegsministerium aber noch zwei 
schwere Hindernisse zu beseitigen. 
Die Kriegserfahrungen hatten das Schrapnell als minderwertig, aber auch die 
Melinitsprengladung der Granate der deutschen Geschoßfüllung, dem Trinitrotoluol, 
als unterlegen erkennen lassen. Es gelang nach längerer Zeit, für die besseren Ge¬ 
schosse in dem (dem Trinitrotoluol analogen) Schneiderst ein bestes Füllmaterial her¬ 
zustellen. — Oie bei Kriegsbeginn in Fertigung begriffenen neuen Geschütze kamen 
nach und nach zur Ablieferung. — Aber das Schlimmste war: Frankreich war nicht 
imstande, das Pulver für seine Waffen herzustellen. Die ungeheure Energie, mit der 
Deutschland in seiner Not durch den Bau von Stickstoffabriken größten Ausmaßes die 
Grundlagen für die Pulvererzeugung schuf, vielleicht auch die Möglichkeit, die nötigen 
Arbeitskräfte aus der auf das höchste beanspruchten Bevölkerung herauszuziehen,
	        
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