Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Waffen und Munition 
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alle ausgedehnt, eine industrielle oder wirtschaftliche Vorbereitung unterblieben war, 
rief der Mobilmachungsbefehl den letzten Mann ins ^eer; schärfer noch als in Deutsch¬ 
land entleerten sich die Fabriken. Und zur gleichen Zeit, vom ersten Zusammenstoß 
ab, forderte das Heer Munition für die 75-mm-Feldkanone an in Mengen, die man 
nicht für möglich gehalten hatte. 
An Feldgeschützen besaß Frankreich bei Kriegsausbruch 4780 Stück, davon 3792 
bei den aktiven verbänden, 250 in den Krmeeparks, der Rest war bei den 
Batterien der Festungen. Eine eigentliche schwere Artillerie des Feldheeres nach 
deutscher Art hatte Frankreich nicht,' wohl aber besaß es in der 155-mm-Kimailho- 
Nanone ein ballistisch der schweren Feldhaubitze überlegenes Geschütz. Seine 
schweren Geschütze schienen nach Ansicht seiner Artilleristen nicht mehr vollwertig zu 
sein,- jedenfalls hatte es in den Zähren 1913 und 1914 erhebliche Mengen neuer 
Konstruktionen in Auftrag gegeben: 220 Stück 10,5-cm-Ranonen zur Ablieferung 
vom August 1914 bis Juli 1915,' 120 Stück 15,5-cm-Ranonen zur Ablieferung vom 
Dezember 1915 bis Dezember 1917 und 18 Stück 28-cm-Mörser, die vom November 
1915 bis November 1916 abgeliefert werden sollten. Selbstredend wurde jetzt mit 
allen Mitteln beschleunigte Fertigstellung verlangt. Viel dringender aber war der 
Schrei nach Feldartilleriemunition — ein nach zwiefacher Hinsicht außerordentlich 
schwieriges Problem. Eine Lieferung durch Amerika kam nicht in Frage. Natürlich 
hätten sich die Fabriken dort umstellen können,' aber bis zur Ablieferung des ersten 
Geschosses sollten acht Monate vergehen — das war ausgeschlossen. Bei der not¬ 
wendigen peinlichen Nontrolle wollte man sich die Herstellung der Artilleriemunition 
aber auch selbst vorbehalten,' so blieb nur ein Weg: Entlastung der eigenen Werk¬ 
stätten von allem anderen Nriegsgerät. Vieser Weg wurde sofort und rücksichtslos 
betreten. Alles Nriegsgerät, mit Ausnahme der reinen Waffen und ihrer Munition, 
wurde in den vereinigten Staaten bestellt, jede irgend verwendbare Fabrik im nicht¬ 
besetzten Frankreich auf Waffen- und Munitionserzeugung umgestellt. — Sehr bald 
aber fehlte diesen das zu verarbeitende Material, von der gesamten Erzeugung an 
Erzen der Friedenszeit (4635000 t) hatte man nur noch 1 Million jährlich, etwa 
3000 t täglich, verfügbar. Auch der zweite Entschluß wurde sofort gefaßt: Alles nötige 
Rohmaterial in den vereinigten Staaten zu kaufen. Doch auch diese Maßnahme 
erforderte Zeit,' die gleiche Folge wie im deutschen Heere trat ein: Munitionsknapp¬ 
heit, ja Munitionsmangel. 
Wohl hatten die zuständigen Stellen als im Frieden bereitzulegenden Nriegs- 
vorrat gefordert 3000 Schuß für jedes Feldgeschütz,- bewilligt waren 1700, tatsächlich 
vorhanden 1390 Schuß für jedes Feldgeschütz — im ganzen 5700000 Schuß, davon 
2200000 Granaten, 3500000 Schrapnells, vom Tage der Mobilmachung ab 
glaubte man dann mit einem täglichen Nachschub von 13600 Schuß auskommen zu 
können. Der verbrauch nahm ebensowenig wie in Deutschland Rücksicht auf die 
theoretische Überlegung des Friedens. Sofort nach der Marneschlacht mußte Zoffre 
äußerste Einschränkung des Verbrauchs befehlen,- am 17. September forderte er 
80000, wenige Tage darauf 100000 Schuß täglicher Fertigung, denen die Fa¬ 
briken natürlich nicht nachkommen konnten. Tatsächlich wurden hergestellt im August 
1914 147000 Schuß = 6000 je Sag; vom 15. September ab 10000, im Dezember 
20000, nach dem 1. Januar 1915 37000 Schuß je Tag. Eine wesentliche Beschleu¬ 
nigung trat ein, als sich infolge Ausrufs der Regierung ein Nationaler Geschoß-
	        
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