Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Max Schwarte 
Erweiterung der Schußweite schwerer und schwerster Flachfeuergeschütze. Als die 
Franzosen und Engländer sie schon im herbst 1914 an der Feldfront einsetzten, da 
mußten auch wir folgen,' die damals höchste 15-km-Schußweite der Artillerie der 
Landarmee reichte nicht aus. Da sprang die Marine hilfreich ein, und vermochte das 
um so mehr, als die Beweglichkeit ihrer außerordentlich schweren Geschütze durch 
Umbau zu Eisenbahngeschützen wesentlich gesteigert wurde. Aus den älteren oder 
im Uriege stark beschädigten Schiffen gab sie Geschütze her von 15 cm bis 38 cm 
Kaliber mit bis 36 Km und 68 Km Schußweite und erreichte den Höhepunkt ihrer 
Leistung in dem gemeinsam mit Krupp neukonstruierten pariser Ferngeschütz, 
das die phänomenale Schußweite eines 100-KZ-Geschosses von 120 km aufwies. 
Flaks 
Auf eine weitere Erschwernis in der artilleristischen Versorgung des Heeres sei der 
Vollständigkeit halber hingewiesen: Oie gewaltige Ausgestaltung der Luftstreitkräfte 
auf Feindesseite, mit der wir nicht Schritt halten konnten, zwang zum Einsatz zahl¬ 
reicher Geschütze zum Luftschutz, und zwar, da sich andere Geschütze als unbrauchbar 
erwiesen, zur Herstellung von Sondergeschützen,- vier derartige Geschütze 
waren bei Kriegsausbruch vorhanden — nach vielen Hunderten zählten die 
bei Kriegsschluß im Feld und in der Heimat eingesetzten „Flaks",' denn bis weit 
hinter die Front, bis tief ins deutsche Hinterland trugen die Flugzeuge ihre Bomben 
(1918 fast allnächtlich) gegen die deutschen Industriewerke, Rheinbrücken, Bahn¬ 
knotenpunkte und — trotz Völkerrechts — auf die offenen Städte. 
Wandel in der Munitionserzeugung 
Immerhin: die artilleristische Waffe, das Geschütz in den verschiedensten Formen, 
konnte den Bedürfnissen des Heeres gemäß erzeugt werden. Gelang das auch hin¬ 
sichtlich der Munition? 
Daß die Fertigung der Feldgeschützmunition in der tatsächlich vollkommenen 
Friedenskonstruktion gerade infolge der als Massenerzeugnis nicht erreichbaren Voll¬ 
kommenheit versagte und Ersatzgeschosse einfachster Art an ihre Stelle treten mußten, 
ist schon gesagt. Allerdings war die Graugußgranate ein so völlig minderwertiges 
Geschoß, daß die Gegner mit Recht aus ihrer Verwendung den Schluß ziehen konnten, 
daß Deutschlands Erschöpfung nahe sei,- sie konnten das um so mehr» als gerade in der 
für das deutsche Heer schlimmsten Zeit ihre eigene Rot durch die anfangs langsam, 
dann in steigenden Zahlen und Massen eintreffende vorzügliche amerikanische Mu¬ 
nition überwunden schien. Selbst die Fertigung der Graugußgranaten, die auch 
nicht ausreichend vorbereitet war, erforderte Zeit. Zn diesen Wochen geschah es, daß 
der tägliche Munitionsverbrauch einer allerdings an einer sogenannt „ruhigen" Front¬ 
stelle eingesetzten Division, die über 80 Geschütze in Stellung hatte, auf 5 Schuß (nicht 
pro Geschütz, sondern insgesamt!) festgesetzt und über jeden Mehrverbrauch ein¬ 
gehender Bericht verlangt wurde! Den Eraugußgranaten folgten im Sommer 1915 
bessere Granaten aus Thomasstahlguß und, als die Pressen 1916 hergestellt 
waren, die wieder als tatsächlich kriegsbrauchbar zu bezeichnenden preßgeschosse. 
Sie waren jetzt selbst den Friedensgeschossen insofern überlegen, als sie, im Hinblick 
auf die gesteigerte Widerstandsfähigkeit der Ziele des Stellungskrieges, mit einer 
sehr viel größeren Sprengladung versehen waren.
	        
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