Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Waffen und Munition 
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stellten Einzelteile her. Selbstverständlich verlangte die notwendige Schnelligkeit, daß 
alle bei den Spezialfabriken eintreffenden Einzelteile so tadellos genau hergestellt 
waren, daß ein Nacharbeiten unnötig wurde. Dazu mußte jede der vielen Hilfs¬ 
fabriken über Hunderte, ja Tausende von einwandfrei gearbeiteten Leeren verfügen» 
die ihnen von den Hauptwerken zugestellt wurden und nach denen sie arbeiteten. 
AIs die Notwendigkeit einer, solchen Arbeitsteilung zuerst erörtert wurde, hielten 
selbst erfahrene Techniker sie für aussichtslos — denn wie bei einem Uhrwerk (und 
die mechanischen Zünder ;. B. waren selbst Uhrwerke!) mußten die Einzelteile bis 
auf Vioo Millimeter genau an- und aufeinander passen, sollte nicht beim ersten 
Schuß Ladehemmung oder Versager eintreten. Deutsche Präzisionstechnik, 
selbst in kleinen Betrieben, hat das unmöglich Scheinende möglich gemacht: Eine nie 
genug gewürdigte Leistung! 
2000 Feldgeschütze monatlich — und doch hätten auch sie noch nicht zur 
Deckung des Abgangs ausgereicht, wenn man nicht in den großen ZnstandsetzungS' 
w e r k st ä t t e n, die man dicht hinter der Front in den dort liegenden französischen, 
belgischen und russischen Fabriken einrichtete (wer weiß heute noch etwas von 
diesen Betrieben?), außerdem 3000 beschädigte Geschütze (Feld- und schwere 
Geschütze) monatlich instand gesetzt hätte! 
Die Zahl der 2000 Feldgeschütze kann man aber auch als gewaltige Leistung nur 
dann richtig bewerten, wenn man zu ihr die Geschütze mittleren und schweren 
Kalibers hinzurechnet, deren Fertigung gleichfalls den von Tag zu Tag sich steigern¬ 
den Forderungen der Truppe gerecht werden sollte. Lei diesen Geschützen war aber 
die Erfüllung um so schwieriger, weil sie in ihrem ganzen Aufbau, in der Güte des 
Materials und der Arbeit Ansprüche stellten, die nur in den Fachfabriken selbst, 
eigentlich nur bei Krupp, erledigt werden konnten und Zeit beanspruchten — viel 
Zeit. vom Tage des Auftrags bis zum Tag der Fertigstellung verging selbst im Drang 
des Krieges wenigstens ein Jahr, bei den meisten mehr. So kam es, daß, als der 
Abgang bei den etwa 2000 sofort ins Feld geführten schweren Geschützen wider Er¬ 
warten groß war, zuerst auf die in Festungsbeständen, z. T. recht rückständigen älteren 
Geschütze (über 2000) zurückgegriffen werden mutzte, dann aber schon sehr bald auf 
russische, französische und belgische erbeutete Geschütze, deren Bedienung 
unsere Artilleristen schnell lernten. Selbstredend setzte auch sofort die Neufertigung 
ein, später teilweise sogar unter erheblicher Verbesserung der Konstruktion und 
Schußleistung,' und Anfang 1917 wurde, trotz der ganz ungeheuren Abgänge in der 
Verdun- und Sommeschlacht, die höchste Zahl der schweren Geschütze mit 
über 7000 erreicht. Die Zahl der Neufertigungen stieg auch dann noch, aber die 
Abgänge an verbrauchten Leute- und älteren deutschen Geschützen, die nicht ersetzt 
wurden, war größer — die Gesamtzahl sank,' sie hätte aber auch sinken müssen, weil 
Bedienungsmannschaften und Pferde sich langsam, aber unaufhaltsam verminderten. 
Um die Höchstleistungen zu erreichen, hatte die monatliche Fertigung von 20 schweren 
Geschützen im September 1914 auf 60 im September 1915, 300 im September 1916 
und 400 vom September 1917 ab gesteigert werden müssen. 
Schwerstes Flachfeuer 
Eine charakteristische Erscheinung von der Wandelbarkeit der Kriegskunst war der 
sich aufzwingende Verzicht auf schwerstes Steilfeuer und das scharfe Drängen auf
	        
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