Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

338 
Max Schwarte 
Rohstoffeinfuhr angewiesen, da seine Erze ohne fremde Zuschläge nicht zu den hoch¬ 
wertigen Grundstoffen moderner Waffentechnik umgeschaffen werden konnten. 
Trotzdem gehörten seine Waffenfabriken, vor allem Krupp in Essen und Rheinmetall 
in Düsseldorf, dank den Glanzleistungen ihrer Ingenieure und Arbeiter, neben den 
französischen und englischen Weltfirmen (Schneider-Lreuzot, Armstrong, Vickers, 
Beardmore usw.) zu den größten und leistungsfähigsten der Welt. Ruhig und sachlich 
urteilenden deutschen Industriellen war längst der Zweifel gekommen, ob der zu 
erwartende gesteigerte Kriegsbedarf, wenn er plötzlich auftreten sollte, mit den ver¬ 
hältnismäßig wenigen Maschinen der Zriedenszeit — die selbst zu ihrer Herstellung 
auch Monate erforderten — und der beschränkten Rohstoffmenge gedeckt werden 
könne. Sie regten wiederholt eine wirtschaftliche und industrielle Mobil¬ 
machung als Vorbereitung auf einen möglichen Krieg an und trafen sich dabei 
mit gleichen Anträgen des Generalstabes. 
Vas hätte jedoch Geld gekostet, natürlich; sogar viel Geld. Geld aber von dem 
bewußt dumm gehaltenen, in Illusionen vom ewigen Frieden berauschten Reichstag 
zu fordern, das wollten Reichskanzler, Reichsschatzamt und Kriegsminister nicht 
riskieren. Also log man auch sich selbst in die Illusionen hinein und lehnte alle An¬ 
träge sorgenvoller vaterlandsfreunde, die der Reichskanzler zum Teil sogar als 
.Kriegshetzer" brandmarkte, ab; Vorbereitungen der Zabriken jeglicher Art zur Um¬ 
stellung auf den Krieg wurden als überflüssig erklärt. 
Nur die „planmäßigen" Truppenverbände waren genügend ausgerüstet 
ver Tag der Kriegserklärung kam; gewaltige Begeisterung ging durch das Volk. 
Meister und Arbeiter ließen ihre Maschinen im Stich. Sie wollten ebenso im heiligen 
Kampfe dabei sein, wie die Offiziere der im Frieden für die waffenherstellung usw. 
verantwortlichen Behörden, die sich auflösten. In glänzender, vollkommener Aus¬ 
rüstung gingen die „planmäßig" aufzustellenden Truppenverbände ins Feld. 
vollkommen — alle —? 
Konnte es dann aber nicht verwunderlich erscheinen, daß man bei den Reserve¬ 
korps keine schwere Artillerie sah, obschon der Generalstabschef sie sofort neben 
den aktiven Armeekorps in die Front schob und obschon gerade sie, aus ebenso 
willigen, aber durch ihr höheres Alter und Familienbindung körperlich und seelisch 
weniger willenskräftigen Jahrgängen zusammengesetzt, einer besonders starken 
materiellen Unterstützung bedurft hätten? war es nicht auffallend, daß man bei den 
Ersahdivifionen nur 6 Feldkanonenbatterien (anstatt 12), bei den selbständigen 
Landwehrbrigaden nur 2, nur 1, möglicherweise gar keine Batterie fand? — Immer¬ 
hin: sie sollten ja nur als Festungsbesatzungen, als Etappentruppen usw. ihre Aufgabe 
erfüllen; das ging vielleicht auch ohne Kanonen, wer garantierte ihnen aber, daß es 
nur bei dieser Art der Verwendung blieb? 
Selbstverständlich hatte auch das Kriegsministerium damit gerechnet, daß sofort 
in den ersten Schlachten Verluste an Feldartilleriegerät eintreten würden, und dem¬ 
entsprechend eine „Gerätereserve" bereitgelegt, die bei der Knappheit der be¬ 
willigten Mittel nur durch peinlichste Sorgfalt in der Behandlung des Friedensgeräts 
und äußerste Sparsamkeit gewissermaßen unter der Hand hatte geschaffen werden 
müssen — und demgemäß nur klein bleiben konnte.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.