Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Walter Friedrich 
Als wir näher herantreten, sehen wir die halbkreisförmige Schiene des Schwenk¬ 
bogens. Kurbel und Winden da und dort, Stahl und Beton, wohin man rings um 
das ruhende Ungeheuer blickt. Uber allem zu dem nun endlich ganz klar gewordenen 
Himmel hin grüner, grüner Wald. Kein Flieger kann ahnen, was sich hier 
verbirgt. 
Weiter seitwärts sieht man Tür an Tür zu Unterständen. Dort Hausen die Ma- 
rinemannschaften für die Bedienung, und dort lagert, genügend weit ab, die Muni¬ 
tion. Etwa 80 Mann, einschließlich der Offiziere, gehören zu jeder Geschützstellung. 
Am Tage vorher hatte das unregelmäßige Feuer des Feindes einen Teil der Ge¬ 
schützbedienung kampfunfähig gemacht. Sie waren mit schweren Verwundungen nach 
Laon abtransportiert worden. 
wir fragen, wann das Schießen beginnt. Noch weiß es niemand, selbst der Kom¬ 
mandeur nicht. Über dem Geschützstand liegt die Ruhe des Waldes, und durch das 
Ast- und Strauchgewirr lockt die einsame Klage eines Vogels, von hier also, diesem 
Grt des Friedens und der Einsamkeit, wird der Herzschlag der Millionenstadt Paris 
zu ängstlichem Stocken gebracht, von hier aus wird als erster Erdsendling in solcher 
höhe ein Geschoß in den luftleeren Raum geschleudert, um in ihm mit um so un¬ 
gehinderterer Kraft 128 km zu überbrücken. 
Noch immer kündet sich kein Gefechtsbetrieb an. Unsere Erwartung steigert sich, 
zugleich aber wächst auch die Befürchtung, es könnte heute überhaupt nicht zum 
Schießen kommen. 
Während wir noch auf dem Wege zu den Munitionskasematten sind, krachen auf 
einmal die Baumäste über uns, ein gurgelnder, schlurrender Ton jagt durch die Wald¬ 
wipfel dahin, und ehe wir noch fragen können, landet weiterhin in der Nähe des 
anderen Geschützes ein Bersten, dessen Luftdruck auch noch uns leise antippt. Kein 
Abschuß war zu hören gewesen. Vas Geschütz mußte weitab stehen. Unser Führer 
bestätigt es. Oer erste Brummer von den Eisenbahngeschützen an der Aisne. Nun 
wird es losgehen. 
Lei den Munitionsbeständen der Parisgeschütze 
Wir erreichen eben noch die Betondeckung für die Munition, da quirlt eine neue 
schwere 28-cm-Granate heran und schlägt noch näher bei uns ein. Wir fühlen uns 
geborgen und bestaunen die merkwürdigen Geschosse des Ferngeschützes, die hier auf¬ 
gestapelt sind. Zweieinhalb Zentner wiegt solch ein Ving. Man zeigt uns die Zünder. 
Es werden immer zwei Zünder an jeder Granate verwendet. Keine der mit so großer 
Mühe nach Paris geworfenen Granaten durfte ein Blindgänger sein. Darum die 
Vorsorge der doppelten Zündung. 
AIs wir in den Kommandeurstand zurückkehren, herrscht dort eine peinliche Stille. 
Oer Kommandant spricht mit der Obersten Heeresleitung und mit dem General der 
Artillerie. Mit Genugtuung hören wir ab, daß binnen einer Stunde der erste Schuß 
gefallen sein wird. Wir wissen es ja noch nicht, daß die Bedienungsmannschaft schon 
geraume Weile Befehl hat: 10.30 Uhr fällt der erste Schuß. 
Vorbereitung am Schießtag 
Es ist allerlei bis dahin vorzubereiten. Feuerwerker messen genau die Tempera¬ 
turen der Kartuschen. Gleichzeitig prüft die Geschützbedienung die Teile des ruhenden
	        
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