Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Hans Zache 
aufgezehrt sein. Bei energischer Versenkung der weiteren Zufuhren ist das feind¬ 
liche Versorgungsgebiet dann auf seine eigenen Ernten angewiesen, die in Italien 
und Portugal im Juni, in Frankreich im Juni und Juli und in Grotzbritannien im 
August und September stattfinden und den Bedarf von fünf bis sechs Monaten decken. 
Rumänien kann, wenn wir die Bevölkerung auf halbe Rationen setzen, was 
möglich erscheint, jedem Ropf des Vierbundes einen täglichen Zuschuß von 60 Gramm 
Mehl liefern, d. h. etwa ein Viertel der Tagesration,- es könnte daher aus den rumä¬ 
nischen Erträgen unschwer auch der verhältnismäßig geringe Bedarf der Neu¬ 
tralen (Schweiz, Schweden, Dänemark, Holland) befriedigt werden. Diese könnten 
wir dafür zu Gegenleistungen veranlassen, die Schweiz ;. B. zur Lieferung von Stick¬ 
stoff für unsere Landwirtschaft und Munition. 
Durch Höherausmahlung können die feindlichen Ernten noch um l5 Mil¬ 
lionen Doppelzentner gestreckt werden, d. h. einen Mehrbedarf für zwei Drittel 
Monate und durch Rationierung noch für zwei weitere Monate, im ganzen also 
auf 8—9 Monate decken. 
Rußland verfügt nach amerikanischen Nonsulatsberichten aus der Ernte 1916 
über einen Ausfuhrüberschuß von 117 Millionen Doppelzentnern, also über ein 
Ouantum, das den Erntebedarf auf fünf bis sechs Monate deckt (ohne Streckung 
und Rationierung). Rach derselben Ouelle befinden sich aber diese Vorräte noch im 
Innern Rußlands und kann die Heranschaffung nach Odessa frühestens sechs Mo¬ 
nate nach Friedensschluß beginnen. Dazu käme die Zeit des Seetransportes, der 
Ausmahlung und Verteilung an die Verbraucher. Nehmen wir aber an, daß dieses 
alles zusammen nur acht Monate vom Friedensschluß ab ausfüllen würde, so muß 
die Entente, wenn sie am 1. Mär; 1918 nicht verhungern will, sechs Monate vorher, 
d. h. am 1. September 1917 Frieden schließen, vorausgesetzt, daß ihr gezeigt 
worden ist, daß wir willens und in der Lage sind, alle überseeischen 
Zufuhren schonungslos zu versenken. 
* * 
* 
Der analoge Hamburger Bericht fand im Großen Hauptquartier reges Interesse. 
General Ludendorff soll einmal geäußert haben, daß er für die Entscheidung 
zugunsten des uneingeschränkten U-Boot-Rrieges maßgebend gewesen sei. 
Dafür spricht auch, daß bald danach ein Offizier des Generalstabes des Feldheeres 
eigens zu dem Zweck in Hamburg erschien, um mir folgende Frage vorzulegen: „Sie 
schreiben, Herr Hauptmann, daß die lveizenflotten versenkt werden müssen, um 
England auf die Urne zu zwingen. Eine restlose Versenkung ist doch ausgeschlossen, 
lvieviel muß nach Ihrer Ansicht versenkt werden?" — „Das kann ich natürlich nicht 
aus dem Handgelenk beantworten, Herr Oberstleutnant. Ich hoffe, in drei Tagen 
Antwort geben zu können." — „Ich muß Ihre Antwort gleich haben. Es kommt ja 
auf eine genaue Zahl nicht an."—„ lv enn zw eivrittel versenkt wer den, glaube 
ich, kommen wir zum Ziel." — „Zwei Drittel? — schön. Ich danke Ihnen." — 
versenkt wurden aber nicht 66%, sondern 6%! Wir hatten eben viel zu 
wenig U-Boote. Meine Aufgabe war natürlich nur die statistische Berechnung 
gewesen, nicht die Frage der Möglichkeit der technischen Durchführbarkeit de; 
U-Boot-Nrieges. Dieses zu beurteilen war Sache des Admiralstabes. Der 
Mißerfolg spricht also nicht gegen unsere Berechnung.
	        
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