Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Hans Zache 
Referat über die Frage, ob ein schonungsloser U-Boot-Rrieg England in einer ge¬ 
gebenen Zeit friedenswillig machen könnte. Er gibt am prägnantesten die Ergebnisse 
unserer Arbeit auf diesem Gebiet wieder. Natürlich war der Vortrag streng ver¬ 
traulich. Unter den etwa 60 geladenen Gästen befanden sich der Hamburger Bürger¬ 
meister Magnifizenz Dr. v. ITCelle, der Generaloberst v. Heeringen, General der In¬ 
fanterie Exzellenz o. Falk, General v. Specht, Rapitän zur See püllen und zahlreiche 
andere höhere Offiziere der Armee und Marine, die Offiziere der Geschäftsstelle 
Hamburg des Generalstabs, Gelehrte (Prof. Rathgen) und Hamburgische Großkaufleute. 
Mein streng vertrauliches Referat lautete: 
Ew. Magnifizenz, Ew. Exzellenzen, meine Herren! 
Gestatten Sie mir nach den ausführlichen Darlegungen, die wir gehört haben, 
nur noch ein kurzes Schlußwort, in dem ich versuchen werde, in aller Vorsicht einige 
praktische Ergebnisse aus den Zahlen zu folgern. 
Am l. Oktober erschien das heft der „Deutschen Politik", in dem sich der Artikel 
„Nemesis" von Dr. Rohrbach und lveil befand, der zu folgendem Ergebnis gelangt: 
„Die vorhandenen Ernten in England, Frankreich und Italien, samt den 
möglichen Zufuhren, werden also ungefähr für zwei Drittel des Jahres aus¬ 
reichen, und im April wird die Entente da stehen, wo sie uns haben wollte, — vor 
der Hungersnot. Wir haben also allen Grund, ruhig dem Laufe der Dinge entgegen¬ 
zusehen und uns der Hoffnung hinzugeben, daß dieser Rrieg mit einem für uns 
glücklichen Frieden endigen wird." 
Bei dem großen Ansehen der Zeitschrift und der Verfasser, von denen ja Weil als 
Sachverständiger des Admiralstabes bekannt war, lag die große Gefahr vor, daß die 
Ergebnisse auf maßgebende Rreise Einfluß erlangen könnten, wenn auch der Abdruck 
des Aufsatzes seitens der Presse durch die Vorsicht des Zensors unterbunden wurde. 
Infolgedessen hielt ich es für außerordentlich wichtig, die Rohrbach-Weilschen Zahlen 
einer genauen Nachprüfung zu unterziehen, und in einer zweimonatigen Arbeit 
ist es gelungen, das Ergebnis zu erzielen, das Ihnen vorgetragen worden ist. Zu¬ 
statten kam uns dabei ein reiches neues Material, das im Laufe der Arbeit zufloß 
und von Rohrbach-Weil noch nicht benutzt werden konnte. Wir sind frei von jeder 
Tendenz, sine ira et Studio an die Arbeit herangetreten und haben uns von den 
Zahlen sozusagen treiben lassen, so daß wir vergleichsweise Freud und Leid der 
Börsenspekulanten erlitten, je nachdem neueintreffende Nachrichten Hausse- oder 
Baisse-Stimmungen hervorriefen. 
Wie wichtig die Nachprüfung war, geht auch daraus hervor, daß noch am 29. No¬ 
vember der Stellvertreter des Reichskanzlers, Exzellenz helfferich, im Reichs¬ 
tage den Fehlbetrag auf 8 bis 10 Millionen Tonnen bezifferte, was mit der 
Weilschen Zahl ungefähr übereinstimmt. Auch unsere Rechnungen ergaben allerdings 
9,1 Millionen Tonnen als Fehlbetrag für die Welt, aber nur 7,35 Millionen Tonnen 
für das feindliche Versorgungsgebiet, und dabei ist nicht berücksichtigt die 
Möglichkeit der Minderung des Defizits vermittels Streckung durch höher- 
prozentige Ausmahlung und der Ausgleich durch Rationierung und Heran¬ 
ziehung der Frühjahrsernten Australiens, Argentiniens und Indiens. 
Die Streckung allein mindert das Manko um 2,5 Millionen Tonnen, ein mög¬ 
licher Ersatz durch Mehreinfuhr von Reis um weitere 1—1,5 Millionen Tonnen, so
	        
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