Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Einblicke in den Nachrichtendienst während der Weltkrieges 
sei sie veraltet. Sie zeige sicherlich noch die verschiedenen Großmächte in verschiedenen 
Farben und wir wären überzeugt, daß hier Deutsche, dort Franzosen, Russen usw. 
wohnten und das Recht auf pflege ihrer Kultur und nationalen Fortschritt hätten, 
wir beanspruchten dies Recht besonders für uns, nachdem wir durch Bismarck end¬ 
lich die Grundlagen gewonnen hätten. Diese Ansicht sei falsch und unsere Weltkarte 
veraltet. Sie kenne keine Nationen mehr, hier Rohstoffe, dort Fabriken — hier Pro¬ 
duktion. dort verbrauch — hier Überfluß, dort Bedarf — danach sei die Welt heute 
verteilt. Gleichgültig sei, wo Deutsche, Franzosen und Russen wohnten. Sie hätten 
sich der übernationalen Wirtschaft einzugliedern und auf das Recht nationalen 
Fortschritts zu verzichten. Dieser Entwicklung sei Deutschland im Wege. 
Die Neutralen im Nachrichtendienst 
Dies Beispiel der Nüchternheit neutraler Betrachtung der Dinge sei angeführt, 
um zu zeigen, welcher Vorteil dem Nachrichtendienst des Feindbundes auch daraus 
erwuchs, daß ihm die neutrale Welt und ihr Urteil über Deutschland erschlossen war. 
Dieses wurde ständig befruchtet durch Berichte zahlreicher in Deutschland weilender 
und dort aus politischen und wirtschaftlichen Gründen gern gesehener, auch von 
amtlichen Stellen ausgezeichneter Neutraler. Daß die deutschen Politiker und Jour¬ 
nalisten diesen gegenüber ihr herz auf der Zunge hatten, braucht nicht versichert zu 
werden. Es ergibt sich, daß die neutralen Länder eine Fundgrube abgeklärter Urteile 
über Deutschland für den Nachrichtendienst des Feindbundes wurden, zumal weder 
die neutralen Regierungen noch politische und wirtschaftliche Kreise des neutralen 
Auslandes die innere Verpflichtung fühlten, mit ihrem Urteil zurückzuhalten. 
Line ganz besondere Rolle im Nachrichtendienst spielt die 
Gewinnung eines Urteils über die Führer auf der Gegenseite 
Vas Bild, welches der deutsche Nachrichtendienst von den feindlichen politischen 
und militärischen Führern gewann, war das der Einheitlichkeit im Kriegsziel und 
in der Kriegsauffassung. Die eingehende Erkundung der militärischen Führer ging 
bis zu den Divisionskommandeuren herab. Ebenso wurden die deutschen Führer vom 
feindlichen Nachrichtendienst überwacht und beurteilt. Etwas Derartiges wurde 
übrigens auch durch die deutsche Sozialdemokratie längst vor den offensichtlichen 
Anzeichen der Revolution ausgeführt. Vas vom Nachrichtendienst des Feindbundes 
gewonnene Bild war zunächst das auch jedem in Deutschland offensichtliche einer 
Führung durch die Oberste Heeresleitung und nicht durch die politische Reichsleitung. 
Bei der Art des Reichskanzlers von Bethmann, sich zu geben, wird sein Bild beim 
Gegner bald vorgelegen haben, wenn es nicht schon vor Kriegsausbruch bestand. 
Die kurze Episode der Kanzlerschaft Michaelis spielt keine Rolle. Der Umstand, daß 
Graf hertling hochbetagt und schwer krank war, wird dem Nachrichtendienst des 
Feindbundes ebensowenig entgangen sein wie das völlige Fehlen eines politischen 
Führers zur Zeit des deutschen Waffenstillstandsangebots. Darüber, welches Bild er 
von den maßgebenden Persönlichkeiten im Reichstag gewann, mag sich jeder selbst 
sein Urteil bilden. 
Sein ganzes Interesse richtete sich auf die Führer in der Obersten Heeresleitung, 
von politischen Attentaten, die durchaus zum Rüstzeug des modernen Nachrichten- 
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