Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Walter Nicolai 
viele Beziehungen des feindlichen Nachrichtendienstes 
in Deutschland blieben unentdeckt 
Die hohen Zahlen der vor dem Kriege wegen Spionage und Landesverrat in 
Deutschland verurteilten sind schon angeführt. Dazu kommt eine erhebliche Zahl von 
verdächtigen, gegen die aber noch nicht genügend Beweismaterial zum Einschreiten 
vorlag. Alle zusammen sind aber selbst bei bestem Erfolg der deutschen Abwehr 
sicherlich nur ein Bruchteil aller Beziehungen des Nachrichtendienstes des Feind- 
bundes in Deutschland vor dem Kriege. Ein Nlassenbetrieb, den nachzuahmen die 
geringen Mittel dem deutschen Nachrichtendienst verwehrten, der aber neben manchem 
gewiß Wertvollen auch vieles Nebensächliche und Überflüssige geliefert und große 
Geldmittel zwecklos verbraucht hat. Die Größe der Organisation lag bei Kriegsaus¬ 
bruch zweifellos auf feindlicher Seite, die Straffheit in Organisation und Führung, 
geboren aus hartem Daseinskampf, auf Seite des deutschen Nachrichtendienstes 
und der deutschen Abwehr. Diesem Vorzug drohte ernste Gefahr durch die bei Kriegs- 
ausbruch einsetzende wilde Spionenfurcht, gegen welche der Generalstab mit äußerster 
Energie vorgehen mußte. Es bedurfte aber längerer zäher Arbeit, bis die Abwehr, 
welche bis zum Kriege vom Staat vernachlässigt, jetzt aber unter den zahlreichen 
Militärbefehlshabern in der Heimat als große und vom besten Willen zur Tat be¬ 
seelte, aber in jeder Beziehung unvorgebildete Organisation erstand, diejenige straffe 
Führung erhielt, die allein den Erfolg in der Abwehr verbürgt. Das Verdienst ge¬ 
bührt wieder dem bereits oben genannten General Brose, welcher sich zur Ver¬ 
fügung stellte und durch die stellvertretende Abteilung 111B in Berlin die Leitung des 
Abwehrdienstes und all die notwendigen Neuschaffungen an den Grenzen, der Pa߬ 
zentrale, der Postüberwachung usw. in die Hand nahm, während der Chef IIIB als 
Abteilungschef der Obersten Heeresleitung im Großen Hauptquartier die Abwehr im 
ganzen und auch in den besetzten Gebieten wie auf den Kriegsschauplätzen nach ein¬ 
heitlichen, aus den Erfahrungen des Nachrichtendienstes sich ergebenden Gesichts¬ 
punkten leitete. Dadurch, daß die Keichsregierung auf die Leitung von Pressedienst 
und Propaganda verzichtete, siel ihm auch diese zu und entstand unter ihm etwas 
Ähnliches, wie es in Verbundenheit mit Propaganda und Politik in den Feind¬ 
ländern längst vor dem Kriege als Nachrichtendienst bestanden hatte. Der Unter¬ 
schied und der Nachteil des deutschen Systems lag nur darin, daß es nicht wie beim 
Feindbund von Regierung und politischen Faktoren unterstützt wurde, daß es trotz 
dauernder Bemühungen des Lhefs des Nachrichtendienstes und der Heerführer unter 
diesen blieb, anstatt von der für die Gesamtkriegführung verantwortlichen Reichs¬ 
regierung übernommen zu werden. 
Die schwierige Arbeit der geheimen deutschen Feldpolizei 
Während diese Entwicklung sich erst anbahnte, marschierte das deutsche Heer aus 
beiden Fronten ins Feindesland. Sein unvergleichlicher Siegeszug machte alle Kennt¬ 
nisse wertlos, die der feindliche Nachrichtendienst sich vor dem Kriege von deutschen 
Festungen und anderem militärisch Wichtigen in Deutschland verschafft hatte. Die 
Entente hatte mit einem Vormarsch des deutschen Heeres durch Belgien gerechnet, 
nicht aber damit, daß es stark genug sein würde, den Vormarsch auf beiden Fronten
	        
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