Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Walter Nicolai 
hafte nationale Gefahr. In Frankreich herrscht auch Klarheit darüber, daß England 
keine Bedenken in dieser Richtung kennt und der französische Nachrichtendienst 
selbst setzt sich über sie auch den jeweiligen Freunden und Verbündeten gegenüber 
hinweg. 
Der Nachrichtendienst ist zum Mittel des ewig währenden 
politischen und wirtschaftlichen Kampfes der Völker geworden 
Er kennt nicht Kriegserklärung und Friedensschluß, er kennt nicht Freunde und 
Feinde, er kennt nur „die Anderen" und die Interessen des eigenen Volkes. Er 
ist national und darum nur in einem national geführten Staate möglich. Vas Na¬ 
tionalgefühl ist auch, wie ein französischer Kriegsminister es ausführte, allein der 
beste Schutz gegen den verrat und somit, nach den Worten dieses Ministers, das 
Geheimnis des Sieges auch im Kampf zwischen Nachrichtendienst und Abwehr. 
Während mit der Revolution 1918 in veutschland alles, was der Generalstab an 
Nachrichtendienst und Abwehr geschaffen hatte, zerstört wurde und seine Erfahrungen 
unausgewertet blieben, wurde der Lhef des französischen Nachrichtendienstes vor 
und im Weltkriege, General vupont, Lhef der interalliierten Überwachungskom¬ 
missionen und blieb es zwei Jahre, bis er seine organisatorische Tätigkeit nach Polen 
und den anderen französischen Vasallenstaaten im Osten verlegte. Es gehört nicht 
allzu viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, was in der Hand dieses hochbegabten, 
durch den Nachrichtendienst in allen Wegen der Politik beschlagenen, von seiner Re¬ 
gierung seit fast zwei Jahrzehnten geförderten, von leidenschaftlichem Nationalgefühl 
ebenso wie von der Furcht vor Deutschlands Wiederaufstieg und von Deutschenhaß 
erfüllten, brutal-energischen und in der Wahl seiner Mittel schon vor dem Kriege 
skrupellosen Mannes im besondern gegen veutschland entstanden ist. 
Die Tatsache, daß nach außen hin und obgleich Nachrichtendienst und Abwehr 
ihren vorwiegend militärischen Charakter verloren haben, hohe Offiziere auch heute 
noch an der Spitze des Nachrichtendienstes der Siegerstaaten stehen, erklärt sich daraus, 
daß, wie schon oben ausgeführt, die jetzt mehr politischen und wirtschaftlichen Ziele 
des Nachrichtendienstes verschleiert werden sollen, aber auch daraus, daß der Nachrich¬ 
tendienst, gleichgültig welchen Zielen er dient, sich freihalten muß von innerpolitischer 
Rücksicht. Genau so wie das Heer als Kampfmittel des Krieges muß der Nachrichten¬ 
dienst als Kampfmittel des Friedens von den innerpolitischen Vorgängen unberührt 
bleiben, und ebenso, wie ein Heer ohne nationale Gesinnung nicht denkbar ist, soll 
die Leitung durch einen Soldaten die nationale Einstellung des Nachrichtendienstes 
gewährleisten. 
Mangelnde Einheitlichkeit im deutschen Nachrichtendienst 
Es sei hier eingeschaltet, daß die Teilung des Nachrichtendienstes zwischen General¬ 
stab und Admiralstab in Deutschland vor und im Kriege ein Übel war, mit welchem 
der des Feindbundes nicht belastet war, was seine Einheitlichkeit und seine Schlagkraft 
in der Abwehr erhöhte. Die Siegerstaaten kennen nur einen Nachrichtendienst, nach 
außen hin zwar nur militärisch, in Wahrheit aber von der Regierung politisch, wirt¬ 
schaftlich und militärisch gehandhabt. Das gilt auch für ihren Nachrichtendienst in den 
Kolonien ftemder Staaten, der seit 1876, von England ausgehend, eingerichtet wurde
	        
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