Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Einblick« in den Nachrichtendienst während de; Weltkrieges 107 
auftreten, zu verbergen. Noch Anfang 1929 ist in Paris ein zweibändiges, 1000 Seiten 
starkes Werk erschienen: „Die internationale Spionage im Frieden." Der Gesamtein¬ 
druck ist zweifellos daraus berechnet, den Glauben zu fördern, Nachrichtendienst sei 
militärische Spionage. In der Quellenangabe werden allein 33 in den letzten ZOIahren 
in Frankreich erschienene Bücher genannt, welche sich in derselben Tendenz mit dem 
Nachrichtendienst beschäftigen. Trotzdem rechnet dies neueste, 60 Frank kostende 
Werk doch anscheinend noch auf Käufer und wurde auch deutschen Zeitschriften mit 
der Bitte um Besprechung zugesandt, was keinen anderen Zweck haben kann als den 
genannten. Venn der Inhalt ist veraltet und enthält nichts von den Erfahrungen 
des Weltkrieges. 
Interessante Fälle aus dem Abwehrdienst des Generalstabs 
aus der Vorkriegszeit 
Auch einige von den oberen militärischen Agenten des Feindes find vor dem Kriege 
vom Abwehrdienst des Generalstabs zur Strecke gebracht worden. Es sei nur an den 
österreichischen Generalstabsobersten Redl in Prag erinnert, dessen verrat im Solde 
Rußlands im Frühjahr 1914 von Berlin aus aufgedeckt wurde. Ferner an den rus¬ 
sischen Militärattache General von Basarow, welcher zur selben Zeit Berlin ver¬ 
lassen mutzte, weil er, obgleich Flügeladjutant des Zaren und im Gegenseitsverfahren 
dem Deutschen Kaiser in besonderer Stellung zugeteilt, in einen Landesverratsfall 
verwickelt war zwecks Auslieferung der Pläne unserer Gstfestungen an den russischen 
Generalstab. Vagegen glückte es nicht, den russischen Gendarmeriechef aus Wirballen, 
Oberstleutnant von Rljassojedoff, den Leiter der russischen Spionage in Ostpreußen, 
zu verhindern, alljährlicher Jagdgast des Kaisers in Rominten zu sein. Man wird 
sich darüber wundern, darf aber nicht vergessen, datz der Generalstab beim Aus¬ 
wärtigen Amt und der Regierung sehr unbeliebt wurde, wenn er „freundnach¬ 
barliche Beziehungen" gefährdete, ven Oberstleutnant von Mjassojedoff hat im 
Kriege sein Schicksal erreicht. Allerdings unschuldig und vermutlich als Nebenbuhler 
in der Gunst einer hochstehenden Frau, ist er unter der Anschuldigung, im Solde des 
deutschen Nachrichtendienstes zu stehen, in Petersburg verurteilt und hingerichtet 
worden. 
Diejenigen, welche aus diesen Beispielen eine Schuld früherer Zeiten herleiten 
möchten, mögen wissen, datz der Abwehrdienst des Generalstabs selbst im Kriege bei 
seinem pflichtmätzigen Einschreiten gegen verschiedene, vorzugsweise von poli¬ 
tisierenden Damen unterhaltene politische Salons sowie gegen auf eigene Faust oder 
im Aufträge unverantwortlicher, einflußreicher Parlamentarier politiktreibende 
Herren auf wirksamen Widerstand der später durch die Revolution zunächst nach oben 
geworfenen Kreise und Personen stieß, überhaupt fand der Nachrichtendienst in 
Deutschland weniger um seiner selbst willen als wegen der aus seiner Kenntnis der 
Wege und Ziele des Nachrichtendienstes der Feindstaaten von ihm erforderten Ma߬ 
nahmen der Abwehr die Gegnerschaft aller international verbundenen politischen 
und wirtschaftlichen Kreise. 
In Frankreich aber warnte schon im Jahre 1899 der sozialistische Deputierte 
Marcel Sembat in öffentlicher Kammersitzung vor der Illusion von Sympathien 
selbst befreundeter Mächte. Er nannte den Nachrichtendienst der anderen eine wahr¬
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.