Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Werner Berg 
bedroht wie Deutschland selbst. Er kämpfte mit geringen aber erstklassigen Mitteln. 
In seinen Reihen stand die Jugend. Das war ein entscheidender Vorteil. AIs 1913 
auf Betreiben Ludendorffs ein junger Major, der jetzige Oberst a. O. W. Nicolai, 
Chef des Nachrichtendienstes des Großen Generalstabes wurde, da hat mancher den 
Nopf dazu geschüttelt, daß auf diesen schweren Posten eine so junge Nraft gesetzt 
wurde. Vas, was Dberst Nicolai mit Tatkraft und ungewöhnlichem Organisations¬ 
talent aus den kleinen Anfängen eines Nachrichtendienstes während des Krieges 
geschaffen hat, gab Ludendorff recht. Nicolai bildete sich eine schneidige, überaus klug 
arbeitende Truppe junger Generalstäbler heran, die im Krieg als Nachrichtenoffiziere 
und Pfeiler der Gesamtorganisation eine entscheidende Rolle gespielt haben. 
Jm Großen Hauptquartier saß als Abteilung l 118 der Obersten Heeresleitung 
mit Nicolai an der Spitze sowie einem Stabsoffizier und zwei Ableilungschefs die 
Zentrale des deutschen Nachrichtendienstes, hier war auch die Zentrale für die Ab¬ 
teilungen zur Überwachung des Post- und Telegraphenverkehrs. In der wissenschaft¬ 
lichen Abteilung war ein Stab von Chemikern, Mathematikern und Physikern bereit, 
im Krieg der Ehiffresgsteme, sympathetischen Tinten und Paßfälschungen das ent¬ 
scheidende Wort zu sprechen. An den Grenzen zu den neutralen Ländern waren 
Kriegsnachrichtenstellen unter Leitung von Nachrichtenoffizieren eingerichtet, die 
mit einem Stab von meist inaktiven, mit dem Verkehr im Ausland vertrauten Offi¬ 
zieren als Zwischenstationen zum Spionage-Auslandsdienst tätig waren. Namen über 
diese Kriegsnachrichtenstellen Berichte zur Obersten Heeresleitung, dann wurden sie 
in einer besonderen Abteilung erst sorgsam auf ihre Gediegenheit geprüft, ehe sie 
an die Operationsabteilung weitergingen. 
Selbstverständlich hatte auch jedes Armeeoberkommando seinen Nachrichtenoffi¬ 
zier oder deren mehrere, die in dauernder Fühlung mit IIIB blieben. Nur in Aus¬ 
nahmefällen durften diese Offiziere selbst Spione entsenden. Ihre Aufgabe bestand 
vor allem darin, erbeutete Schriftstücke, Meldungen der Truppe, Fliegerbeobachtungen 
und vor allem — eine sehr wichtige Ouelle — Gefangenenaussagen auszuwerten. 
Zu diesem Zweck standen Dolmetscher und Vernehmungsoffiziere zur Verfügung, die 
im Armeegefangenenlager täglich mühevolle, verantwortliche Arbeit zu leisten hatten. 
Die Spionageabwehr tag in den Händen der Geheimen Feldpolizei. Vas war eine 
Arbeit, die, wie wir später an Beispielen sehen werden, große Umsicht und Ausdauer 
erforderte. 
Im Westen hatte man natürlich mit Vorliebe elsaß-lothringische Polizeibeamte 
zu Feldkommissaren gemacht, da sie der Sprache mächtig waren und das französische 
Sgstem der Spionage kannten. Aber auch Polizeibeamte aus dem ganzen Reich 
leisteten auf diesen Posten Außerordentliches. 
So war es ein Polizeikommissar aus Breslau, der mit Hilfe eines Agenten eine 
weitverzweigte Spionageorganisation in den flandrischen Klöstern aushob. 42 Per¬ 
sonen, Frauen und Männer, darunter einige Jesuitenpatres, hatten lange zum 
Schaden des deutschen Heeres erfolgreich Spionage getrieben. 
von den elsaß-lothringischen Feldkommissaren erwies sich ein einziger als Schuft, 
leider war es auch der einflußreichste. Er hatte den Dienst im Großen Hauptquartier 
und war deshalb auch am sichersten vor Entlarvung. Welche Dienste er den Franzosen 
den ganzen Krieg über geleistet haben muß, erhellt am besten daraus, daß er heute 
in Frankreich eine hohe Staatsstellung einnimmt.
	        
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