Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

82 
Hans Garcke 
sie unstreitig an falscher Stelle geübt. Noch überraschender wirkt es, von dem Gro߬ 
admiral zu erfahren, daß auch vor ihm selbst, dem Staatssekretär des Reichsmarine¬ 
amtes, der Gperationsplan der Marine bis zum Beginn des Völkerringens geheim¬ 
gehalten wurde. Erst am 31. Juli 1914 erfuhr der Schöpfer der deutschen Flotte, 
wie diese im Kriege verwendet werden sollte! 
Ruch innerhalb des Heeres hat es bisweilen zwischen den maßgebenden Stellen 
an der vertrauensvollen, klaren Aussprache und an dem notwendigen einheitlichen 
Zusammenwirken in den Kriegsvorbereitungen gefehlt, und weit mehr noch ver¬ 
missen wir ein solches zwischen den militärischen Stellen und den Zivilbehörden, 
namentlich dem Auswärtigen Amt. Daß Politik und Strategie in inniger Wechsel¬ 
beziehung zueinander stehen müssen, wurde nicht genügend beachtet. 
Tirpitz hatte mit weitschauendem Blick eine der Bedeutung -er deutschen Schlacht- 
siotte entsprechende Bündnispolitik, vor allem mit Japan, verlangt. Er wurde als 
unbequemer Berater von der großen Politik ferngehalten und auf die technische 
Leitung der Flotte beschränkt, wäre seine Ansicht zur Geltung gekommen, und hätten 
wir den fernen Inselstaat auf unserer Seite gehabt, dann hätte der Weltkrieg, wenn 
er überhaupt ausgebrochen wäre, vermutlich einen ganz anderen Verlauf genom¬ 
men! — hätte ferner ein engeres Zusammenarbeiten zwischen der politischen Lei¬ 
tung des Reiches, dem Admiralstab und dem Reichsmarineamt stattgefunden, und 
stand es fest, daß unsere Hochseeflotte nicht rücksichtslos eingesetzt werden sollte, 
dann wären vielleicht statt der bei Kriegsbeginn zur Untätigkeit verurteilten großen 
Schlachtschiffe mehr Auslandskreuzer und mehr U-Boote gebaut worden, so daß 
wir den feindlichen Transporten ganz anders hätten zu Leibe gehen können als es 
geschehen ist. 
Unser Generalstab hat lange Jahre vor dem Kriege die sich heranwälzende Ge¬ 
fahr klar erkannt,- er hatte ein durchaus zutreffendes Urteil über den wert der feind¬ 
lichen Heere gewonnen und die Reichsleitung immer wieder auf die gewaltigen 
militärischen Anstrengungen und die Kriegsziele unserer Gegner sowie auf die un¬ 
zureichende Anspannung unserer eigenen Wehrkraft hingewiesen, hätte zwischen 
ihm und dem Auswärtigen Amt eine engere Fühlung, ein vertrauensvolleres Zu¬ 
sammengehen bestanden, dann hätte die politische Leitung es doch vielleicht ver¬ 
hindert, daß wir den Krieg gegen eine so ungeheuere feindliche Überlegenheit und 
unter so unendlich schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen führen mußten. Auf 
die Unterlassungssünden der deutschen Politik soll im übrigen hier nicht näher ein¬ 
gegangen werden. 
Lei unseren Feinden ist bis zum Jahre 1914 das Zusammenwirken zwischen den 
verschiedenen Ministerien usw. im allgemeinen wohl nicht viel besser gewesen als 
bei uns. Jetzt, auf Grund der Kriegserfahrungen, sind alle großen Militärmächte 
darauf bedacht, durch Schaffung eines Reichsverteidigungsrates oder ähnlicher 
Organisationen das zielbewußte Zusammenarbeiten aller für die Landesverteidigung 
irgendwo in Frage kommenden Organe zu sichern. 
Nicht genügende Fühlung mit den Bundesgenossen 
Im herbst 1915 sagte ein polnischer Ouartierwirt zu einem deutschen Offizier, 
er bewundere die gewaltigen Leistungen Deutschlands, könne es nur nicht begreifen,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.