Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Ernst Rabisch 
dem Reichskanzler vor, auf diesem Wege festzustellen, welches die Minimalforde- 
rungen der Alliierten hinsichtlich Belgiens seien, ob eine bindende Erklärung hierüber 
zu sofortigen Friedensverhandlungen führen könne. Am 11. September findet in 
Berlin ein Rronrat unter Vorsitz des Kaisers statt, an dem außer dem Kronprinzen, 
Reichskanzler, Mhlmann auch hindenburg, Ludendorff, die Vertreter der Marineu. a. 
teilnehmen. Um die Kriegsziele geht es. Ganz klar ist das Endergebnis nicht: der 
allgemeine Eindruck ging doch dahin, daß die Möglichkeit eines Friedensschlusses bis 
Weihnachten mehr bedeute als ein Gebietserwerb in Belgien. „Nun haben Sie freie 
Hand", sagt der Kaiser zu Kühlmann, „nun zeigen Sie, was Sie können und besorgen 
Sie uns bis Weihnachten den Frieden." Am Abend desselben Tages spricht Kühlmann 
einen befreundeten spanischen Diplomaten, den Gesandten in Brüssel, Marquis von 
Villalobar; bittet ihn, in London in dem von ihm gewünschten Zinne zu sondieren. 
„Ohne Genehmigung meines Ministers, Marquis de Lema, kann ich nichts machen!" 
ist die Antwort. Lema, durch Funksprüche unterrichtet, bringt die Mitteilung, Deutsch¬ 
land wünsche mit England ein Friedensgespräch, in vorsichtiger Form zur Kenntnis 
des englischen Botschafters. Die Sache kommt damit völlig aufs falsche Gleis. Am 
6. Oktober versammelt Balfour in London die Botschafter der Alliierten. Die Antwort 
lautet, England sei zur Entgegennahme deutscher Mitteilungen bereit und werde dann 
mit seinen verbündeten beraten, womit freilich Villalobar so etwa das Gegenteil 
von dem in der Hand hat, was Kühlmann erstrebt hatte: statt zu hören, soll dieser 
reden — soll die Vorschläge machen, für die er erst die Vorbedingungen ermitteln 
will. Villalobar zieht es vor, Mhlmann dies Ergebnis gar nicht erst mitzuteilen. 
Papst Benedikt XV. 
Schon längst bewegt den Papst Benedikt XV. der Wunsch, von sich aus dem 
Völkerringen ein Ende zu machen,' aber er weiß nur zu gut, daß die Alliierten, von 
ihrem endlichen Siege überzeugt, nicht gewillt sind, auf Friedensstimmen zu hören, 
wenn ihnen diese nicht alle wünsche erfüllen. Jetzt, im Sommer 1917, ist ihre Be¬ 
drängnis so groß, daß er hofft, ein williges Ghr zu finden. 
Am 26. Juni erscheint Nuntius pacelli aus München bei Bethmann. Er über¬ 
bringt einen Brief des Papstes an den Kaiser und bittet für einen von diesem be¬ 
absichtigten Friedensschritt um vertrauliche Darlegung der deutschen Friedensziele. 
Antwort: völlige Wiederherstellung der Unabhängigkeit Belgiens gegen die Sicher¬ 
heit, daß es nicht politisch, militärisch oder finanziell unter die Herrschaft Englands 
oder Frankreichs kommt,- Bereitschaft, mit Frankreich sich in Form von Grenzberich¬ 
tigungen zu einigen,- über Rußland ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen dort 
nicht zu sprechen,' Beteiligung an allgemeiner Abrüstung und Schiedsgericht für 
internationale Konflikte, pacelli begibt sich ins Große Hauptquartier zum Kaiser, 
hört von ihm am 29., daß ihm ein hervortreten des Papstes besonders erwünscht 
sein würde, und kehrt befriedigt zurück. Die Bedingungen Bethmanns scheinen außer¬ 
ordentlich mäßig, wenn man dagegen eine Note Llogd Georges vom 9. Juni an die 
russische Regierung hält, die die Rückkehr zum Vorkriegszustand als Friedensgrund¬ 
lage ablehnt und die Vernichtung der preußischen Militärmacht als Voraussetzung 
eines Dauerfriedens fordert. Bevor aber noch der Faden weitergesponnen werden 
kann, wird Bethmann am 13. Juli gestürzt. Notgedrungen tritt eine pause ein.
	        
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