Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Ernst Rabisch 
zwischen Rußland und Frankreich geteilt werden. Wartet ihr aber so lange, bis Ru߬ 
land ganz zu Ende ist, dann lauft ihr Gefahr, daß es sich lieber unter der Hand mit 
Deutschland einigt. Und schiebt ihr die Sache hinaus, bis unsere Intervention keine 
Aussicht mehr auf Erfolg hat, bis ihr völlig geschlagen seid — ja, dann für euch die 
Kastanien aus dem Feuer holen, das können und wollen wir nicht!" Damit nicht 
England durch den Vorschlag amerikanischer Vermittlung in den verdacht der 
Friedenssehnsucht käme, was Greg unbedingt vermeiden will, verspricht house, von 
Zeit zu Zeit einen solchen Vorschlag nach London zu richten. Die Engländer könnten 
dann ja ablehnen oder als amerikanische Anregung ihn an die Alliierten weiter¬ 
geben. Über „seinen" Frieden nimmt er ein förmliches Protokoll mit Greg auf. 
waren das doch vielleicht nur Locktöne, hinter denen sich ehrlicher Friedenswille 
verbarg? D nein! AIs nach Leilegung des Sussex-Falles (ITCai 1916) durch fast völlige 
Einstellung des U-Boot-Krieges die Alliierten im vertrauen, aus eigener Kraft zu 
siegen, Wilsons Eingreifen ablehnen, da will dieser in einem Augenblick des Ärgers 
auf eigene Faust die kriegführenden an den Konferenztisch rufen. Erschreckt setzt 
house alle Hebel in Bewegung, das zu verhindern, denn es könnte womöglich dazu 
führen, daß sich die Sgmpathien in den vereinigten Staaten Deutschland zuwenden. 
Dem Grafen Bernstorff freilich wurde immer wieder versichert, Wilson habe eine 
fast krankhafte Furcht, mit seinem vorschlage eine Ablehnung bei den Alliierten zu 
erfahren, oder die amerikanische Volksstimmung stehe im Wege. 
Die Volksstimmung! Wie war das mit der Volksstimmung? Die Feststellungen 
des vom Senat der vereinigten Staaten eingesetzten Munitionsausschusses haben 
im Jahre 1936 den Lichtkegel eines Scheinwerfers auf die unterirdischen Machen¬ 
schaften gerichtet, mit denen das allgewaltige Bankhaus Morgan & do. diese „Volks¬ 
stimmung" gemacht hat. von Anfang an war I. p. Morgan entschlossen, seine ganze 
Macht zugunsten der Entente einzusetzen, hier winkte die Aussicht auf riesige Ge¬ 
winne ! von einer „Anleihe" an kriegführende will Wilson zunächst nichts wissen — 
wo blieb da die Neutralität? — aber „Kredite" zu geben, das war etwas anderes. 
Warum sollten nicht die amerikanischen Banken Kredite gewähren, mit denen alles 
Kriegsnotwendige von der Entente in den USA. gekauft würde? „Überall setzte ein 
geschäftlicher Aufschwung ein, der bis dahin durch den Krieg unterbrochen war. Oie 
sehnsüchtig erwarteten ,boom times' waren endlich angebrochen. Gewaltige Mengen 
von Munition, Waffen, Stahl, Weizen, Wolle und sonstigem Kriegsbedarf wurden 
nach Europa an die Alliierten ausgeführt. Oer Export stieg von 1915 bis 1917 um 
mehrere Milliarden Dollars. Bereits im Mai 1915 wurden die Kredite, die die ver¬ 
einigten Staaten den Alliierten monatlich gewährten, auf 30 Millionen Pfund ge¬ 
schätzt" (Wegerer, „Die Gründe für Amerikas Eintritt in den Weltkrieg"). Bald 
reichen die Kredite nicht mehr aus. Unter Morgans Führung setzen im August 1915 
die Banken durch, daß das Anleiheverbot aufgehoben wird — der Handel der Staaten 
verknüpft sich unentwirrbar mit einem Sieg der Alliierten, was gilt diesen ge¬ 
wissenlosen Geldmännern das Leben einiger auf versenkten Dampfern ertrunkener 
amerikanischer Bürger? Was das Leben von Millionen Menschen, die ihren kriegs¬ 
verlängernden Geschäften zuliebe verbluten, verhungern, verkommen? Nur das 
Geschäft entscheidet! Das waren „die anständigen Menschen", die nach Wilson mit 
Leib und Seele den Sieg der Alliierten wünschen mußten. „Wer behaupte, der 
deutsche U-Boot-Krieg und nicht die Handelsinteressen hätten letzten Endes Amerikas
	        
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