Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

54Ernst kabisch 
Alle lehnen ab. Aber sie wissen, der Mann jenseits des Atlantik wird handeln, wenn 
seine Stunde gekommen ist. 
Die deutschen Heeressäulen nähern sich Paris. England schließt ein eisernes Band 
um die Alliierten: Alle verpflichten sich, nur gemeinsam Frieden zu schließen. Sollte 
Wilson etwa die schwache Stunde Frankreichs ausnutzen wollen? einen möglichen 
Zriedensvorschlag des Deutschen Kaisers nach der Einnahme von Paris unterstützen? 
„Nur das nicht!" beschwört ihn der amerikanische Botschafter in London, Page. 
„England will Deutschland einen tödlichen Streich versetzen. Es will einen langen 
Krieg, bis der Promilitarismus völlig zermalmt ist." 
Pages Sorge ist nicht unbegründet. In auswärtigen Angelegenheiten wird Wilson 
von Brgan beraten, und Brgan ist ehrlicher Freund des Friedens. Zu ihm kommt 
ein Deutschamerikaner, Gskar Strauß. „Ich habe den deutschen Botschafter Gras 
Bernstorff gefragt, ob der Deutsche Kaiser eine Friedensvermittlung annehmen 
würde. Er glaubt, das bejahen zu können, wenn die andern wollen. Lassen Sie 
unsern Botschafter in Berlin, Serard, anftagen." Und Brgan telegraphiert, tele¬ 
graphiert dasselbe an die amerikanischen Botschafter in London und Paris (Herrick). 
Herrick ist entsetzt. „Eben hat sich doch die Entente zum gemeinsamen vurchhalten 
zusammengeschlossen! Sie geben ja Deutschland eine Ehance, die Sympathie der 
Neutralen durch Scheinzustimmung zu erwerben!" Ähnlich Page: „Das gibt den 
Deutschen Propagandamöglichkeit und kompromittiert uns für später mögliche Ver¬ 
mittelung." Oie Sorge war umsonst,' auch Bethmann lehnt ab. „Oie Annahme des 
Vorschlages würde als Beweis unserer Schwäche gelten, veranlaßt erst die Gegner, 
Friedensvorschläge zu machen! Das deutsche Volk will für die Zukunft Garantien 
für Ruhe und Sicherheit." — Oie Zeit war noch nicht reif. Der Krieg geht weiter. 
Oie Marneschlacht ist geschlagen, Antwerpen gefallen, an der Ijser sind die Fronten 
erstarrt — Rußland hat bei Tannenberg, in Masuren und bei Lodz sich die Lehre 
geholt, daß der Spaziergang nach Berlin eine bittere Täuschung war. Aber un¬ 
angefochten ist Englands Herrschaft über die Meere,- und als es langsam anfängt, 
Deutschland zu erdrosseln, beginnt hier der Kampf um den U-Boot-Krieg. So ist die 
Lage, als Wilson seinen vertrauten Freund, sein „zweites Selbst", den Obersten house, 
nach Europa sendet, um eine bessere Atmosphäre für die überall der Parteilichkeit 
beschuldigten Amerikaner zu schaffen und nach Friedensmöglichkeiten zu forschen. 
Am 30. Januar 1915 fährt house ab, besucht London, Paris, Berlin und geht dann 
wieder nach London, um Mitte Juni nach den vereinigten Staaten zurückzukehren. 
Sein versuch, den deutschen U-Boot-Handelskrieg abzuwenden dadurch, daß England 
die Lebensmittelzufuhr nach neutralen Häfen freigibt, scheiterte an Jagows „Nein!", 
der gleiche Freigabe für die Rohstoffe verlangt, von da ab hält house den Eintritt 
Amerikas in den Krieg auf Seite der Alliierten für unvermeidlich und geboten. Die 
Torpedierung der „Lusitania" scheint ihm ausreichender Grund. Lrgan, der die 
U-Boots-Frage einem Schiedsgericht unterbreiten will, mutz Anfang Juni aus dem 
amerikanischen Ministerium ausscheiden, wird durch den Deutschfeind Lansing ersetzt. 
Wilson stellt die deutsche Regierung vor die Wahl: Abänderung des U-Boot-Krieges 
oder Krieg mit Amerika. — Deutschland weicht zurück. — 
Das war im Juni 1915 gewesen. Jetzt geht das Jahr zu Ende. Rußlands Heer 
ist bei Gorlice, przasngsz, Kowno, Wilna zum Krüppel geschlagen. Die versuche der 
Alliierten bei den Dardanellen sind ebenso gescheitert wie in Frankreich,' Serbien,
	        
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