Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Aus den Hintergründen 
der politischen Geschichte der Kriegssahre: 
Geheimaufträge, Friedensfühler, begrabene Hoffnungen 
Von Generalleutnant a. D. Ernst Kabisch 
dlutströme rinnen über die Schlachtfelder Europas in Ost und West und Süd. 
Granatsplitter zerfetzen Menschenleiber, Bomben zertrümmern Wohnstätten, Kirchen 
stürzen, Städte werden zu Scheinbildern, wo dachlose Fassaden Häuser vortäuschen. 
Hunger zerreißt die Eingeweide, Schiffstrümmer sinken zum Meeresboden, trotzige 
Männerfäuste recken im Tode Flaggen über die Wogen. Mütter, Bräute, Weiber, 
Kinder winden sich in verzweifeltem Schluchzen. Grauen herrscht. Wer bringt das 
Ende? Wo schimmert ein Lichtstrahl durch schreckliche Nacht? Gibt es keine Rettung? 
Leises Raunen wispert hinter dem Donner der Geschütze. Sorgende Fürsten und 
Staatsmänner, wohlmeinende Bürger, ehrgeizige Prätendenten, abgeklärte Weise 
ringen in heimlichem Gespräch um Frieden, pharisäernder Hochmut, ehrlicher 
Friedenswille, heimliche Tücke, Geldgier, verrat und Hatz mischen sich in dunklen 
Wegen der Politik. Denn mitnichten hat diese ihr Spiel an das Schwert abgegeben. 
Sie wirkt hinter allem Geschehen. Rur andere Mittel hat sie eingemischt in ihr nie 
aussetzendes Arbeiten, die Mittel der Gewalt. Aber sie setzt die Ziele, kämpft mit Ge¬ 
danke und Wort, mit Drohung und versprechen, um die Frucht zu ziehen aus der 
Vernichtung von Menschenwerk und Menschenglück. 
Ein unehrlicher Makler 
Auf dem Präsidentenstuhl der vereinigten Staaten von Amerika sitzt Woodrow 
Wilson. Als ganz Europa in den ersten Augusttagen aufbrennt in einem Flammen¬ 
meer, wie ein polnisches holz- und Strohdorf, in dessen Dächer der Sturm Funken 
geworfen hat, da fühlt er das Schicksal der weitzen Völker in die Hand Amerikas ge¬ 
geben. Durch weite Meere von dem Brandherde getrennt, überreich an Korn, Vieh, 
Metallen, Gien und Kohle, mächtig in seiner Industrie, überquellend an Volkskraft, 
steht die Republik unerschütterlich auf eigenen Fützen. Sie kann geben und versagen, 
sie kann verbieten und gewähren — wer vermag sie zu zwingen? In Washington 
wirkt sich das Schicksal der Welt, wie einst in Rom, aus. 
Und Wilson zögert nicht. Kaum strömen die Wehrmänner zu den Fahnen, da 
klopft er an die Tore von Berlin, Wien, Petersburg, London und Paris — am 4. und 
5. August l9l4. „Ich halte es für mein Recht und meine Pflicht, Ihnen freundschaft¬ 
lichst zu sagen, datz ich jetzt oder später im Interesse des europäischen Friedens zu 
handeln wünsche." Eine Geste — gewiß. Niemand denkt daran, in diesem Augenblick 
von Frieden zu sprechen. Der Zar wartet sogar mit dem Dank mehr als drei Wochen.
	        
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