Volltext: Der Weltkrieg

blattgranate, die aus dem Rohr der Feldgeschütze schon eine halbe Meile 
weit flog. 
Die deutschen Krieger sammeln das Zeug eifrig auf. Denn auf die 
Ablieferung an die Geheime Feldpolizei stand eine hohe Belohnung. Sie 
schwankte bei den einzelnen Armeeabteilungen und je nach der größeren 
oder geringeren Propagandatätigkeit des Feindes. 
Für jede erste, noch unbekannte, Flugschrift wurden dem feldgrauen 
Finder 2 bis 3, selbst 6 Mark gezahlt. Sonst staffelten sich die Sätze, je 
nach der Menge der gleichzeitig eingebrachten Exemplare, von 60 bis 
auf 6 Pfennig für das Stück. Ein Fernsprechgefreiter verdiente, laut 
Dr. Thimme, an einem Tag 699,40 Mark. 
Und doch wurden bei weitem nicht alle Zersetzungsblätter abgeliefert. 
Im Höchstmonat des Propagandaschießens wurden von der Entente bei¬ 
nahe 18 Millionen Stück an die 14. deutsche Armee der Westfront hinüber¬ 
geschickt, von dieser aber wenig über 1 Million, also noch nicht 1ln, an 
die Befehlsstellen weitergegeben. 
Ein Rest blieb also sicher jedesmal bei der Truppe zurück. Die Lich- 
nowskybroschüre hatte in der Etappe den Tauschwert eines halben Kom¬ 
mißbrots und wurde gegen Lesegebühr verliehen .... 
Der Inhalt dieser nervenlähmenden Literatur der Lüfte? Man schau¬ 
derte manchmal, wenn man die diabolisch auf Wirkung berechnete Ge¬ 
schicklichkeit — namentlich mancher Illustrationen — sah 
Keine Anklagen oder Drohungen gegen Deutschland! Im Gegenteil: 
Der Deutsche stürmt — ein Siegfried im Stahlhelm — mit gefälltem 
Bajonett der lachend ihm voranschwebenden Siegesgöttin nach. Ein 
näherer Blick: Mein Gott — sein Fuß tritt ja achtlos nur noch auf einen 
dünnen Wolkenstreif! Cr stürzt beim nächsten Schritt in den schwindeln¬ 
den Abgrund . . . 
Das stilistische Meisterwerk eines britischen Abwurfblatts: „An den 
Soldaten, der gegen Westen marschiert! Der Westen ist voll schwerer 
Geschütze. Noch etwas anderes aber befindet sich im Westen. Kein Mensch 
kann das Wo angeben. Aber im Westen ist es sicherlich. Dein Grab 
liegt im Westen! Wenn Du nach dem Westen ziehst, mußt Du es wohl 
oder übel finden! Möglicherweise liegt es weit hinaus, hinter den Ber¬ 
gen. Möglicherweise liegt es aber ganz in Deiner Nähe. Marschierst 
Du gen Westen, Soldat, dann sagen wir Dir Lebewohl! Alle, die 
wir Leben haben, sagen Dir Lebewohl!" 
Naturaufnahmen aus der Hölle der Zuckerfabrik von Souchez mit auf- 
rechtstehenden, halbierten Leichen. Sitzenden Kriegern, die ihren grin¬ 
senden Kopf im Arm halten. „Rekrut — willst Du das erleben?" 
Schmeichelnde Texte: „Laufe über! Im Gefangenenlager bist Du weit 
vom Schuß und Deine Mutter wird Gott danken! Du brauchst nicht zu 
arbeiten, deutscher Kamerad! Wir haben noch Bohnenkaffee und Speck!" 
Das Rüstzeug des Marxismus: „Euch Söhnen des Volkes will keiner 
von uns etwas zu Leide tun! Es geht nur gegen die Junker und Kriegs¬ 
gewinner!" 
Der Idealismus: „Deutscher — Du liebst doch Dein Vaterland! Du 
willst doch mithelfen, daß es im Frieden wieder aufblüht. Man braucht 
Dich im Frieden! Du darfst nicht vorher fallen!" 
März 1918 
September 
1918 
Frühjahr 1913 
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