Volltext: Unteilbar und untrennbar (1,1919)

640 An 
jede Dissonanz hinweg mit elementarer Kraft zum Durchbruch 
gelangt. 
Es ist derjenige Seelenzustand geboren, welcher die erste 
Lebensbedingung einer schöneren und besseren Zukunft ist. Es 
ist ja vor allem notwendig, daß wir die Rumänen als unsre 
Kameraden, Lebensgefährten und Brüder betrachten, deren 
Fortschritte uns mit Freude erfüllen und denen wir in allen 
Schwierigkeiten des Lebens in brüderlicher Liebe zur Seite 
stehen. 
Jetzt in den Stunden der Krise und der Gefahr hat sich 
das Rumänentnm als unser wahrer Bruder erwiesen. Wir 
Ungarn sehen, wissen und erwidern diese Haltung, und diese 
offenkundige Tatsache muß auf allen Gebieten, sowohl was 
materielle und kulturelle Interessen, wie überhaupt das Zur-- 
geltungkommen der Rumänen betrifft, ihre Früchte tragen. 
Dies sind die automatischen Folgen der jetzigen Haltung 
der Rumänen. In ihnen liegt eigentlich das Pfand einer 
besseren Zukunft. Sie leisten Gewähr dafür, daß die Rumänen 
in der freien Ausübung ihrer Rechte auf das Wohlwollen 
der ganzen ungarischen Gesellschaft, in ihren ethnischen Be- 
strebungen auf die Unterstützung des Staates rechnen und sich 
im gemeinsamen Vaterlande wirklich wohl fühlen können. 
Dieselben Erscheinungen ermutigen uns jedoch zu weiter- 
gehenden Maßnahmen. Nach den jetzigen Taten der Rumänen 
können auch ihre auf die staatlichen Institutionen bezüglichen 
Wünsche mehr Berücksichtigung in Anspruch nehmen. 
In den unlängst abgehaltenen Besprechungen sind diese 
Wünsche hauptsächlich in drei Richtungen zum Vorschein 
gekommen. Es wurde eine Revision des Volksschulgesetzes 
in einer für die konfessionellen Schulen günstigeren Rich- 
tuug sowie ein gewisser Gebrauch der rumänischen Sprache 
vor den staatlichen Behörden und endlich eine derartige 
Revision der Wahlordnung verlangt, die ein weiteres Feld 
für die politische Tätigkeit unsrer rumänischen Mitbürger er-- 
öffnen würde. 
Die in meinen öffentlichen Erklärungen gezogene Grenze 
wurde für zu eng befunden, und die von beiden Seiten ehrlich 
gewünschte Verständigung ist darum nicht zustandegekommen, 
weil ich bei der damaligen Stimmung diese Grenze nicht 
überschreiten konnte. 
Ich fühle, daß wir heute weitergehen können, ohne den 
ungarischen staatlichen und nationalen Gesichtspunkten Ab- 
bruch zu tun. Es kann eine Reform des Volksschulgesetzes 
in Aussicht genommen werden, welche die auf die kon-- 
fessionellen Schulen bezüglichen Wünsche unsrer nicht-- 
ungarischen Mitbürger berücksichtigt. Des weiteren können 
wir den Gebrauch der Muttersprache in unmittelbarem Ver- 
kehr mit den Staatsbehörden durch gesetzliche Verfügungen 
sichern, und endlich kann die Wahlrechtsordnung in einer 
Weise der Revision unterzogen werden, welche die politische 
Repräsentanz der Rumänen auf eine billigere Grundlage 
stellt. Hiemit wären die Hauptfragen geregelt, die einer 
vollständigen Vereinbarung im Wege standen. Es soll nur 
dieselbe Sympathie und dasselbe Entgegenkommen auch von 
der andern Seite zutage treten, damit die letzten Hindernisse 
einer vollständigen Harmonie aus dem Wege geräumt werden. 
Euer Exzellenz, hochwürdigster Herr ErzbischoftMetropolit! 
Ich habe die Empfindung, daß jetzt, wo ganz unbestreitbare 
vollendete öffentliche Tatsachen die treue Mitwirkung der 
Rumänen in den großen Tagen des Kampfes und der Ge-- 
fahr bezeugten, jetzt, wo niemand die Vorbedingung oder 
gar den Kaufpreis der schon vollbrachten patriotischen Opfer 
in meinen Worten sehen könnte, jetzt, wo ein jedes Ent¬ 
gegenkommen nur als die verdiente nachträgliche Anerkennung 
gelten könne, daß jetzt die Zeit des Handelns für uns, die 
Vorkämpfer des Friedens und der Eintracht, zwischen den 
Nationalitäten gekommen ist. Mir obliegt die Initiative und 
die Verantwortung. Ich übernehme sie in dem Bewußtsein, 
daß wir historische Momente erleben, deren siedende Atmo-- 
sphäre kalte, harte Erze schmilzt und ein neues starkes, edleres, 
jedem Zersetzungsprozesse Trotz bietendes Element aus ihnen 
schafft. Ich wende mich an Euer Exzellenz mit der Bitte, 
diese heilige Sache mit dem ganzen Gewicht Ihres Wortes 
und mit der ganzen Kraft Ihrer Persönlichkeit unterstützen 
zu wollen. 
Mit dem Ausdrucke ausgezeichneter Hochachtung Euer 
Exzellenz ergebener 
T i s z a m. p." 
Auf dieses Schreiben richtete ErzbischoftMetropolit 
M e t i a n u folgende Antwort an den Ministerpräsidenten: 
Nagy-Szeben, 23.September 1914. 
Euer Exzellenz! Hochgeborner Graf! 
Im Besitze der werten Zuschrift Euer Exzellenz vom 
22. d. beeile ich mich, meiner aufrichtigen Freude darüber 
Ausdruck zu geben, daß Euer Exzellenz und die ungarische 
Regierung alte billige Wünsche des rumänischen Volkes zu 
erfüllen geneigt sind, welche Vorbedingungen der Wohl-- 
fahrt und des kulturellen Fortschrittes desselben bilden. 
Die Anerkennung und Sympathie Euer Exzellenz für das 
rumänische Volk, welches in den schweren Tagen der Er- 
probung so glänzende Beweise seiner Treue zu König und 
Vaterland gegeben hat, erweckt ein lebhaftes Echo in meiner 
Seele; zum edlen Werk, welches die Eintracht und die Har- 
monie der Seelen zu pflegen und zu sichern wünscht, reiche ich 
bereitwilligst meine hilfreiche Hand in der Hoffnung, daß 
dieses Werk reiche Früchte tragen und mit Gottes Hilfe den 
Grundstein einer schöneren und glücklicheren Zukunft legen 
werbe. 
Mit aufrichtiger Verehrung Eurer Exzellenz ergebener 
M e t i a n u m. p, 
22) Telegrammwechsel zwischen Kaiser und 
König Franz Joseph I. und dem Sultan. 
„In diesem feierlichen Augenblicke, da das Ottomanische 
Reich, genötigt, für seine Ehre und für die Wahrung seiner 
obersten Interessen zu kämpfen, sich auf die Seite Osterreich-- 
Ungarns und seines Verbündeten, Deutschlands, stellt, liegt 
es Mir sehr am Herzen, Euer kaiserlichen Majestät die hohe 
Genugtuung auszudrücken, die Ich darüber empfinde, unsre 
Heere und unsre Flotten in edler und hehrer Begeisterung 
für die Unversehrtheit und den Ruhm des Vaterlandes 
kämpfen zu sehen. Es freut Mich, in diesem glücklichen Be- 
ginne der Aktion der Flotte Euer kaiserlichen Majestät ein 
Unterpfand und ein gutes Vorzeichen zu erblicken für den 
Erfolg unsrer Waffen in dem Kampfe, der uns von unfern 
Feinden aufgezwungen worden ist, und für eine dauerhafte 
und ruhmvolle Zukunft unsrer Völker. 
Franz Joseph." 
Das Antworttelegramm des Sultans lautet: 
,,Jch habe das Telegramm, das Euer Majestät an mich 
zu richten die Güte hatten, mit dem größten Vergnügen er-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.