Volltext: Unteilbar und untrennbar (1,1919)

Die Schlacht bei Li! 
jetzt mit uns, zum erstenmal mitten unter uns — wieder in den Kampf. 
— Hier werden die Verbrüderungen gefeiert, dies sind die Feste 
der Völker, der Nationen. 
Jetzt aber steigt das Kommando : Einwaggonieruug! — Letzte 
Grüße, letzte Wünsche, neuer Jubel und Begeisterung. Dann pusten 
und stoßen die Züge, hunderte und hunderte, aus der erregten, hallenden, 
verwirrend geschäftigen Station. Die Deutschen, als die Letztgekom- 
menen, werden noch rasch gegen Cholera geimpft und bleiben zuletzt 
als Queuestaffel. 
Eine herrliche Fahrt. Die Tiroler und Salzburger jauchzen. Das 
ist auch was für sie! Durch liebliche Täler geht es, rechts und links 
von Bergen umsäumt. Gießbäche stürzen in wilden Sprüngen herab; 
weite Schneefelder glänzen in der Wintersonne wie Silber, Perl- 
mutter und Gold — tiefdunkle Wälder und weitverstreut kleine Gehöfte. 
Dann geht die Bahn in leichten Serpentinen zu Tal; auf guter Straße 
nebenher rasen Automobile; alle Orte sind von Truppen belegt . . . 
stunden . . . und stundenlang. Jetzt hält der lange Zug bei einem 
größeren Bahnhof — Etappenstation — auf allen Geleisen drängen 
die Züge... ungeheure Proviant- und Munitionsvorräte liegen hier. 
Und weiter geht es, bis Jordanow und Chabowka. Dort ertönt 
plötzlich das Signal zum Auswaggouieren. Die breiten Bretter, die 
die Schubtüren der Waggons bilden, werden herabgelassen, schräg 
aufgestellt und als Landungsstege benützt, über die jetzt die junge 
Kraft des Landes in dichten dunkeln Knäueln herausquillt. Alles 
atmet in wohlig tiefen Zügen die erfrischend kalte, nächtliche Ge- 
birgslust der Beskiden. 
Kurze Kommandorufe . . . und schon rangieren sich die Batail- 
lone. Dann geht es durch die Marktflecken auf die Chaussee hinaus, 
der Raba entlang nordwärts, in die sternenklare, kalte Nacht hinaus, 
gegen Mszana Dolna. 
Inzwischen hatte FML. Baron N a g y, der bisher den 
äußersten rechten Verteidigungspunkt unserer vor Krakau 
operierenden Armee bildete, mit seiner Kavallerie schon sehn- 
süchtig das Erscheinen von Verstärkungen erwartet, da ihn 
die Russen des in Limanowa befehligenden GL. D r a g o-- 
m i r o w in seiner Stellung westlich Dobra mit Reitern und 
Infanterie sehr bedrängten. 
Eine Eigentümlichkeit unseres galizischen Feldzuges warmes, daß 
unsere Reiter, dje im unwegsamen Gebirgsgelände ihre natürliche 
Angriffsmethode, die Attacke, niemals in Effekt setzen konnten, wie 
die Infanterie und vereint mit ihr, zu Fuß in den Schützengräben 
kämpfen mußten. Daß sie sich auch hier bewährten und glänzende, 
wahrhaft unvergängliche Waffentaten vollbrachten, trotzdem ihr 
Karabiner ohne Bajonett sie dem Fußvolk gegenüber stark in Nach- 
teil setzte und trotzdem ihrer Ausrüstung beinahe das wichtigste Gerät, 
der Spaten, fehlte, zeugt von der Anpassungsfähigkeit und der strotzen- 
den Kraft dieses prachtvollen Kriegermaterials. Aber Übermensch- 
liches kann selbst der Husar nicht leisten. Die beiden Divisionen des 
Barons N a g y hatten in zahlreichen Gefechten gegen einen über- 
mächtigen Feind starke Verluste erlitten und zählten bloß mehr 1000 
Gewehre. Sie waren also an Zahl, an Ausrüstung und Bewaffnung 
in jenen Tagen kaum sehr geeignet, neuerdings angriffsweise vor- 
zugehen und Baron N a g y sendete sehnlichst Patrouillen nach dem 
Süden aus, die ihm den Anmarsch der neuen Armee melden sollten. 
Und endlich am 30. November — genau zur selben 
Stunde als im nördlichen Operationsgebiete, 10 Kilometer 
östlich von den Vorwerken Krakaus die Russen ihre systematische 
Belagerung der Festung durch den ersten Kanonenschuß 
einleiteten — erblickten hier die südwärts auf der Chaussee 
patrouillierenden Husaren die Vorhut der trotz vereister 
Wege tüchtig ausschreitenden Kolonnen mährischer und 
niederösterreichischer Landwehr der iz. Landwehr-Infanterie- 
truppendivision. Ordonnanzoffiziere sprengten vor und mel- 
deten dem Kavalleriedivisionär, daß der Kommandant des 
XIV. Korps, FML. Roth, nunmehr die 6. und u- Ka-- 
anowa—Lapanow. 515 
vallerietruppendiviston unter seinen Befehl nehmen werde. 
Sie meldeten auch seinen Plan, der in seinen Hauptlinien 
geradlinig genug war: unter peinlicher Geheimhaltung des 
Aufmarsches sollte mit überraschender Schnelligkeit ein mög¬ 
lichst starker rechter Flügel vorgeschoben werden, um nord- 
östlich ungefähr an Lapanüw vorbei gegen Bochnia quer durch 
das Gebirge durchzustoßen. Gelang der Plan, so war die 
russische Armee, die gegen Krakau drängte, in der linken Flanke, 
vielleicht sogar im Rücken gepackt und konnte vor den Mauern 
der Festung in tödlicher Umklammerung zerquetscht werden. 
Wohl standen der Ausführung beträchtliche Schwierig- 
leiten entgegen:' erstens war die Eisenbahnstrecke im Räume 
von Tymbark im Besitze der Russen und zweitens gab 
es durch die Westbeskiden nur eine einzige Chaussee. Die 
hatte die ganze Last nicht bloß der anrückenden vier Divi¬ 
sionen, sondern auch der Nachschübe seiner beiden Kavallerie-- 
divisionen auf ihrem Rücken zu tragen, und solch starkem 
Verkehr konnte sie nicht vollkommen gewachsen sein. So 
kam es auch, daß insbesondere die an der Queue mar- 
schierenden Truppen sich in ihrer Bewegungsfreiheit einiger- 
maßen behindert fanden. 
* * 
* 
Die Mährer und Niederösterreicher, die als erste aus-- 
waggoniert worden waren, erreichten mit der Tete Mszana 
Dolna am 30., hinter ihnen rückte die 3. Division vor, dann 
kam die 8. und zuletzt die 47. deutsche Reserve-Diviskon. 
Wie immer auf dem Marsche sangen die Tiroler. 
Mier schießen recht gern am Scheibenstand 
Und a in die Schroff n bam Wildern; 
Mier schießen no lieber für Kaiser und Land 
Und lassen die Bix'n frei hildern. 
Im Süden sahen sie zackige Ketten und schneebedeckte Kuppeln 
der Hohen Tatra. Es ging bergauf und bergab. Und es dünkte ihnen, 
als wäre es der Boden ihrer Heimat, den sie erstiegen und der ihnen 
antäusgleich immer wieder neue Kräfte spendete. Von ferne rollte 
gedämpft ein Gewitter in der Luft — vertraute Mänge, Kanonen- 
donner; und sie wußten, es wurde wieder ernst. 
Mier singen am liebsten dahoam auf der Alm 
Mennes sein mueß, a drauß in die Grabn, 
Mier singen bam Schwärmen in Pulverqualm 
Mier singen, wenn's ins begraben. 
Rechts und links am Wege sah man schon Spuren vorhergegangener 
Kämpfe: verlassene Schützengräben, Pferdekadaver, aufgedunsen und 
ekelhaft, umgestürzte Protzkästen, Uniformstücke, zerbrochene Waffen, zer- 
fetzte Mäntel, Kappen. Landsturmmänner suchten das Terrain ab und 
fanden in den Wäldern lange röhrenförmige Schrapnells, noch voll 
und schwer, und viele kleine Erdhügel, die Todesstätten der Gefallenen. 
Aber der Kanonendonner ist ein Magnet, der den Soldaten unauf- 
haltsam vorwärts zieht. Die ganze Truppe durchzuckt eine Erregung, 
unbestimmbar, unerklärlich, die alle Müdigkeit behebt und alle Lebens- 
geister anspornt. Artillerie rasselte jetzt vorbei und ihr metallner Lärm 
steigerte noch das Fieber. Abseits der Chaussee, in gedeckter Stellung, 
standen Munitionsparks, Provianttrains; hinter einem Meierhof 
hatte eine Sanitätsstation ihre Zelte aufgeschlagen, rangierten sich 
die kleinen Bauernwägelchen, die die Verwundeten ins Hinterland 
spedieren sollten. Und dort am Rande eines Baches dampfte es aus 
den großen Kesseln der Küchenwagen. In rascherem Tempo ging es 
vorwärts. Die N a g y-Husaren freuten sich. Sie durften aus den 
Schützengräben steigen, wo ihre Glieder steif geworden und durften 
sich wiederum in ihrem Elemente zeigen. Aufs Pferd, Husaren, aufs 
Pferd! — Vor einer Bauernhütte mit einem morschen Strohdach 
sitzt eine Gruppe Stabsoffiziere; Ordonnanzen rings im Kreis. 
Automobile sausen heran, stopven, sausen wiederum davon. Patrouil- 
len ziehen in den Wald nach Osten zu. Die Kommandos am Wald-
	        
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