Volltext: Unteilbar und untrennbar (1,1919)

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Krieg gegen Rußland 1914. 
heranziehend, zum Angriff übergegangen, der vorerst Haupt-- 
sächlich mit der verstärkten russischen 1. Armee gegen den Nord- 
flügel der Deutschen südlich der Weichsel bis zur Bzura 
gerichtet war. Hier rückte das neuformierte russische IV. Korps 
am 27. unmittelbar südlich der Bzura aus dem Räume 
südlich von Lowicz vor, wurde aber an der deutschen Front 
beiderseits des Flusses abgewiesen. Am 28. folgte diesem 
Korps das ebenfalls neuformierte russische Vi. Korps gleich- 
falls ohne Erfolg. Hingegen ging am 29. die deutsche Gruppe 
zwischen Weichsel und Bzura, nach völligem Einsetzen einer 
neu eingetroffenen Infanteriedivision am Nordflügel, zum 
Gegenangriff über und zwang die russische 1. Armee zum 
Rückzug gegen Lowicz, wo sie sich technisch verstärkte. In-- 
dessen hatten am 28. auch die russische 2. und 5. Armee 
die allgemeine Vorrückung angetreten. Bei der russischen 
2. Armee führte diese bei Strykow (18 Kilometer nordöstlich 
£odz) gegen Teile des deutschen xxv. Korps und bei Zgierz 
(10 Kilometer nördlich Lodz) mit dem deutschen XX. Korps 
zu heftigen, aber für die Russen ergebnislosen Kämpfen. 
Die Vorrückung der russischen 5. Armee machte anfangs in 
der Gegend von Szadek (35 Kilometer westlich Lodz) gegen 
eine größtenteils aus Kavallerie bestehende deutsche Gruppe 
Fortschritte, wurde hier aber am 30. bereits zum Stehen 
gebracht. Am Südflügel trat die russische 5. Armee bei 
Szczercow an der Widawka am 29. gegen die mit dem 
k. u. k. Kavalleriekorps FML. Freiherr v. Hauer vor-- 
gegangene deutsche Brigade ins Gefecht. Letztere wurde aus 
der Richtung Bekchatow beiderseits der von dort heran-- 
führenden Straße von einer russischen Infanteriedivision 
angegriffen und mußte auf das westliche Sosniaufer zurück-¬ 
gehen. Das Kavalleriekorps wurde nicht angegriffen, ging 
aber auf Befehl im Anschluß an die deutsche Brigade zurück. 
Offenbar, um die Abgabe von Verstärkungen an den 
für die Kämpfe gegen die deutsche 9. Armee hohe Bedeutung 
erlangenden Nordflügel der Heeresgruppe GdJ. v. W 0 y r sch 
zu verhindern, rafften sich die Russen am 30. November 
noch einmal zu einem Vorstoß gegen den Südflügel der Armee 
GdJ. v. W 0 y r s ch und die 1. Armee auf. Zunächst brach 
ein stärkerer Angriff gegen die erstgenannte los, dem in den 
Abendstunden des 1. Dezember mehrere Anstürme gegen die 
37. Honved-Jnfanterietruppendivision des V. Korps und 
nach Mitternacht auch gegen die 46. Landwehr- und 12. In- 
fanterietruppendivision des I. Korps folgten. Alle diese 
Angriffe wurden abgewiesen und am 2. hielt tagsüber nur 
noch starkes Artilleriefeuer gegen die angegriffenen Front- 
teile an. In der Folge unterließen die Russen jede weitere 
Unternehmung von Belang gegen die 1. Armee und den 
Südflügel der Armee GdJ. v. W 0 y r s ch, zu deren Unter- 
stützung GdK. D a n k l für alle Fälle eine Gruppe hinter 
dem Nordflügel der 1. Armee bereitstellte. 
Hiemit war die Schlacht bei Krakau bis auf geringfügige 
Plänkeleien der beiden im Stellungskrieg einander gegenüber- 
stehenden Gegner zu Ende. Das beiderseitige Interesse wandte 
sich den Ereignissen an beiden Flügeln zu, die sich alsbald zu 
großen entscheidenden Schlachten gestalteten, im Süden jene 
bei Limanowa—Lapanow, im Norden die 2. Schlacht bei Lodz, 
an der der Nordflügel der Heeresgruppe GdJ. v. W 0 y r s ch 
durch das Treffen bei Bekchatow mittelbar beteiligt war. 
Die Schlacht bei Limanowa—Lapanow. 
(3. bis 14. Dezember.) 
Große Schlachten hängen nicht in der Luft. Sie sind 
Folgen, Meilensteine, Ziele, und wieder Ausgangspunkte. 
Ein mühseliger, in unseren Zeiten weittragender Geschütze 
bildlich und real gemeint, weitverzweigter Weg führt dazu. 
Der Geist der Führer entwickelt sie aus Konstellationen und 
ihre Resultate schaffen wieder neue. Der moderne Krieg mit 
seinen enormen Fronten, seinen enormen Kraftentfaltungen 
und Hilfsquellen kennt keinen eigentlichen Waffen-Stillstand, 
andererseits auch keine raschen Entscheidungen. Jede neue 
Schlacht ist nur ein Aus-den-Angelnheben, ein Vereiteln, 
ein Beiseiteschieben, eine Terraingewinnung oder Terrain- 
entblößung. Organisch wächst dann, durch Wirkungen aus 
räumlichen und zeitlichen Fernen befruchtet, Schlacht auf 
Schlacht, Schlag auf Schlag, deren Summe die Zermürbung, 
Zerstückelung und endliche Erschöpfung und Verblutung 
der Millionenheere bezweckt. 
Fast ein Schulbeispiel der Entstehung, des Verlaufes 
und des Resultates einer einzelnen großen Schlacht ergeben 
die Operationen, die in Westgalizien die erste Hälfte des 
Monats Dezember 1914 füllten und die unter dem Titel 
der Schlacht bei Limanowa—Lapanow dem Buche der Ge- 
schichte einverleibt worden sind. 
Die dem FML. Roth für den Flankenstoß unterstellten 
drei Divisionen der 4. Armee GdJ. Erzherzog Joseph 
Ferdinand, die niederösterreichisch-mährische 13. Land¬ 
wehr- und die dem oberösterreichisch-, salzburg - tiroler 
XI V. Korps angehörende 3. und 8. Jnfanterietruppendivision, 
hatten in Krakau bloß einen Rasttag, worauf am 28. und 
29. November der Abtransport^mit Bahn begann. 
Mit der braunen Patina russisch-polnischer Erde, mit der Kruste 
des Schlachtfeldes rückten sie unvermittelt in die Zivilisation der alten 
Jagellonenrestdenz ein. Ein traumhafter Zustand, dessen Kürze und 
abrupte Änderung das Wunderbare noch verstärkte. Noch lag der 
Taumel des Kampfes in allen Hirnen und schon stampfte man in gleichem 
Schritt und Tritt auf dem geregelten Pflaster einer großen Stadt. An 
Promenaden, an hellbeleuchteten Cafes und Restaurants vorbei, von 
einem Meer von Licht umflutet, vom stürmischen Jubel der Bevölke- 
rung umtost. Man sieht steinerne Gebäude, sichere Mauern, uralte 
Denkmäler, historisches Geranke — und findet selbst ein Dach, ein Bett. 
Man wäscht sich, kämmt sich — nach vier Monaten Entbehrung! — 
ißt wie ein Mensch und fitzt auf einem Stuhl — und kaum die Herr- 
lichkeit erfaßt, heißt es schon wieder: weiterziehen! ins Feld, in den 
Wald, ins wilde Lebe« zurück. 
Am Bahnhof wimmelt es von Truppen, wälzen sich graublaue 
Fluten rauher Männer. Hoch stapelt sich das Kriegsgerät; Malteser- 
züge, Sanitäts- und Munitionskolonnen, Artillerie. Dazwischen 
drängen sich die Bürger, alt und jung, reich und arm, hoch und 
niedrig und alle möchten die Soldaten überschütten mit Gaben der 
Liebe und des Dankes. Grell schmettert Militärmufik. Das auf- 
reizende Staccato des Radetzkymarfches begrüßt jetzt Pickelhauben 
und den festen Wuchttritt der feldgrauen Gestiefelten — die deutschen 
Brüder!! — ein brausender Orkan der Freude und des Jubels empfängt 
sie. Fremde Dialekte schwirren auf. Sachsen, Westfalen, Rheinländer 
find es. Auch sie kommen schon aus dem Kampf und gehen —
	        
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