Volltext: Unteilbar und untrennbar (1,1919)

Organisation bot Karpathenverteidigung. 
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Erzherzogs bedrohten. GdJ. von Aussen berg mußte 
sich entschließen, die Gruppe bis an die Bahn Rawa Ruska— 
Lubaczow, in den Abschnitt Prusie—Horyuiec zurückzu- 
nehmen. Zwar war dadurch die Gefahr für die Flanke und 
den Rücken der 4. Armee und somit für die ganze Hauptmacht 
noch nicht vollständig beseitigt, doch durfte man hoffen, sie 
durch Entsendung der Kavallerie in den Raum um Cieszanüw 
abwenden zu können. Die Zurücknahme der Gruppe bedingte 
auch, daß das XVII. Korps seinen Nordflügel und die Mitte 
zurückbog. Sie hatten in den Raum südlich Rawa Rnska, 
in die Linie Manasterek—Potylicz zu gelangen. 
Die Meldung über diesen Entschluß lief in den ersten 
Frühstunden des 11. September bei der Heeresleitung ein. 
Von der 1. Armee war bekannt, daß starker Feind in 
der Front, namentlich aber in der östlichen Flanke gegen 
Biigoraj folge, der Rückzug planmäßig vor sich gehe. 
Im Laufe des Vormittags verdichteten sich die Nachrichten 
über das Vorgehen sehr starker russischer Kräfte gegen den 
Raum westlich Rawa Ruska. Die westliche Gruppe, der die 
im Marsche von Narol auf Pkazow gemeldete Kolonne an- 
gehört haben mochte, schien Direktion aus Cieszanüw zu 
nehmen. Weitere starke feindliche Kräfte, etwa zwei Korps, 
waren im Vormarsch über Jözesow (südwestlich Krasnobrod) 
auf Bikgoraj zu vermuten. Aus dem Räume südlich des 
Dnjestr wurde gemeldet, am io. September sei eine russische 
Kavalleriedivision mit Infanterie von Stryj gegen Drohobycz 
vorgerückt, wo Landsturmtruppen und Kavallerie zur Abwehr 
zusammengezogen wurden. Weiter östlich von der Gegend 
bei Stanislau bis in die nördliche Bukowina war eine neue 
feindliche Heeresgruppe in Bildung begriffen. 
Nach allen Nachrichten war es sicher, daß die einschließlich 
der Gruppe Kummer und der preußischen Landwehr 
14 Korps zählende k. u. k. Nordarmee zwischen Dnjestr und 
Weichsel 16 russische Korps in erster Linie gegenüber hatte. 
Wenn auch im Verlaufe des Vormittags des 11. Sep; 
tember günstige Nachrichten über den Kampfverlauf bei der 
2. und 3. Armee einliefen, so mußte angesichts der Gesamt- 
läge in den Mittagsstunden der schwere Entschluß heran- 
reifen, den Kampf, dessen siegreicher Ausgang auch bei bestem 
Fortgang der Offensive nicht vor ein oder zwei Tagen zu er- 
zwingen war, abzubrechen und die Armeen zunächst hinter den 
San zurückzuführen. War der Schlachterfolg bei Lemberg 
im festen Willen zum Siege bis an die äußerste, durch die Lage 
zu rechtfertigende Zeitgrenze angestrebt worden, so mußten 
jetzt die Bedenken gegen eine Überlassung weiteren heimischen 
Bodens an den Feind vor dem Gebot zurücktreten, das Heer, 
das in dreiwöchentlichem Ringen die russische Hauptkraft 
auf sich gezogen hatte, in voller Schlagkraft dem Vaterlande 
zu erhalten. Der bewährte Geist der Truppen, die schon bisher 
ebenso Siege zu erfechten, wie Prüfungen zu ertragen gewußt 
hatten, bürgte dafür, daß auch ein allgemeiner Rückzug 
ihre Zuversicht und ihren Kampfwert nicht berühren werde. 
So ergingen nachmittags die Befehle zur Durchführung 
des Entschlusses. Mit Einbruch der Dunkelheit hatten die 
Truppen den Kampf abzubrechen und sich vom Feinde los- 
zulösen. Über die Gesamtlage im Unklaren, wurde es den 
Truppen der 2. und 3. Armee, die sich auf der Höhe des Sieges 
fühlten, schwer, dem Rückzugsbefehl Folge zu leisten. Hatten 
sie doch bis zum Abend den Angriff bis auf wenige Kilometer 
an Lemberg herangetragen. Beim Feinde zeigten sich An- 
zeichen sichtlicher Erschütterung, was sich in der rasch anwach- 
senden Zahl von Gefangenen, mehr als 10 000,und in der 
Preisgabe von Geschützen deutlich kundgab. Bei der 4. Armee 
waren im Laufe des Tages wieder zahlreiche russische Angriffe 
blutig abgewiesen worden, die Truppen hatten sogar erfolg- 
reiche Gegenstöße geführt. Es herrschte der Eindruck vor, 
daß auch hier die Kraft des Feindes nachzulassen beginne. 
Das xvii. Korps und die Gruppe des Erzherzogs schüttelten 
die Russen, die recht lebhaft wurden, als sie die Absicht einer 
Rückverlegung der Front merkten, erst tüchtig ab, ehe sie ihre 
Stellungen, ersteres erst gegen Abend, letztere am späten 
Vormittag verließen. So konnten sie dann unbehelligt den 
Stellungswechsel vornehmen. 
In stolzer Haltung, mit flatternden Fahnen, unter Mit- 
nähme aller Gefangenen und der eroberten Geschütze, trat 
die Nordarmee in der Nacht den Rückmarsch hinter den San 
an, womit der erste Akt des langen Ringens mit der mos- 
kowitischen Übermacht schloß. 
Organisation der Karpathenverteidigung. 
Abweisung des ersten russischen Einfalles in Oberungarn. 
(24. September bis 8. Oktober.) 
Als es der Kriegspartei am russischen Zarenhofe nach 
jahrelang geführtem Ränkespiel gelang, die in den Lagern 
unserer Feinde mit unverhohlener Freude verheißungsvoll 
gepriesene „Dampfwalze" ins Rollen zu bringen, da dachte 
sie sofort an die Verwirklichung eines ihrer hauptsäch- 
lichen Programmpunkte: ehemöglichst die russischen Fahnen 
für immerwährende Zeiten auf den höchsten Punkten 
des grünen Waldreiches der Karpathen flattern zu lassen. 
Es war anfangs September 1914, als der erste russische 
Einbruch drohte. Unsere Armeen hatten, vor der Übermacht 
des Feindes ausweichend, Ostgalizien räumen müssen und die 
russische Kavallerie überflutete das Land südlich des Dnjestr. 
Offen und frei lag die ungarische Grenze vom Uzsoker Paß 
bis gegen Rumänien. Eine leichte Beute schien der russischen 
Heeresleitung das Land des heiligen Stephan, gegen welches 
mehrere Kosakendivisionen mit Infanterie und zahlreicher 
Artillerie in Marsch gesetzt wurden, um zunächst in die unga- 
rische Ebene einzubrechen, dort mit dem bekannten russischen 
Terror Schrecken und Verwirrung zu verbreiten und als 
Vorhut den nachfolgenden russischen Kolonnen den Weg zu 
bahnen. 
Budapest hieß die Losung! 
In rechtzeitiger Voraussicht der drohenden Gefahr hatte 
aber unser Armeeoberkommando bereits an alle von Galizien 
nach Nordostungarn führenden Einbruchswege derart Truppen 
disponiert, daß die Sicherung der Ostkarpathen schon vom 
5. September an bewerkstelligt war. 
Die Tätigkeit dieser braven Truppen, die zu Beginn der 
Operationen in diesen Gebirgen treue Grenzwacht hielten, 
verdient ein besonderes Interesse. Fast übermenschliche 
Anstrengungen forderte dieser hartnäckige Kampf im rauhen 
Waldgebirge, aber in unüberwindlicher Zähigkeit und heroischer
	        
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