Volltext: Unteilbar und untrennbar (1,1919)

Beginn der Einkreisung der Zentralmächte. 
fchaften waren die geeignetste Form, um nach außen unver-- 
Kindlich im Geheimen anzustacheln oder zurückzurufen. Nur 
verlangte Rußland eines: unbedingten Gehorsam und Unter- 
werfung für die eigenen Zwecke. Der Panslawismus war aus 
einem kulturellen Ideal ein politisches Machtmittel geworden 
und vor allem die beste Agitationsformel für kriegerische Vor- 
Unter Pasiö Führung lenkte das serbische Staatsschiff nun 
ganz ein in die russischen Gewässer. Die Kriegspartei ließ 
Serbien, das einst Hsterreich-Ungarn befreundete, allmählich 
zu einer Vorhut ihrer eigenen Macht werden, und die Unter- 
stützungen an die verantwortlichen Politiker flössen reichlich 
aus geheimen Quellen. Nur mußte Serbien, weil Rußland 
die Hände in den chinesischen Taschen hatte, seine Propaganda 
lautlos und vorsichtig betreiben: es mußte der Welt gegenüber 
als das arme, schwache, arglose Serbien erscheinen, das sich 
fürchtete, von seinem gierigen Nachbar verschluckt zu werden. 
Es durfte noch nicht mit dem Säbel rasseln, und die Bomben 
mußten im Arsenal von Kragujevac bleiben. Unterirdisch 
mußte die Arbeit sein. Nach dem Vorbild Piemonts — Ser¬ 
bien nannte sich stolz das Piemont des zwanzigsten Jahr- 
Hunderts — sollte im Nachbarland vorerst eine Jrredenta ge- 
züchtet werden und „Kulturvereine", die später so berüchtigte 
„Narodna obrana", blühten eiligst auf unter dem russichen 
Rubeltau. In der ungarischen Unabhängigkeitspartei meinten 
sie Feinde der Dynastie Habsburg zu erblicken: das genügte 
(gegen ihr eigenes Volksinteresse), ihr Pakte anzutragen. 
Während Bulgarien die Banden nach der Türkei sandte und 
Mazedonien plündern ließ, unterwühlte Serbien Österreich- 
Ungarn und die Meinung des Auslands mit Flugschriften und 
Prospekten. Der Boden sollte erst gelockert werden, ehe man 
versuchte ihn zu sprengen. Und vor allem: sie mußten warten, 
bis Mütterchen Rußland die Hände frei hatte. 
In jener Mordnacht von Belgrad war auch die europäische 
Ruhe ermordet worden. Denn der unreine Ehrgeiz des neuen 
Herrschers schwärte im Blute des Balkans. Schon in den 
nächsten Jahren fühlte man das Fieber von dort sich über den 
ganzen Leib des Kontinents verbreiten, bis endlich nur die 
Waffe übrig blieb, die Eiterung auszubrennen oder selbst an 
ihr zu Grunde zu gehen. 
Beginn der Einkreisung der Zentralmächte. 
Europa hatte Frieden, solange die beiden größten Kräfte 
gebunden waren, England, dessen Tendenz es von jeher war, 
die europäische Einheit durch Zwist zu zersprengen, Rußland, 
das mit seinem furchtbaren Gewicht ihm freien Atem raubte. 
Noch die ersten drei Jahre des neuen Jahrhunderts sind ver- 
hältnismäßig ruhig und politisch unbewegt. 
Dann kehrt England in die Arena zurück und gefährlicher 
als je. Der Widerstand der verachteten kleinen Farmersleute 
in Südafrika, denen 
man mit einer 
Handvoll Abenteu- 
rern und einigen 
rasch aufgebotenen 
Milizen ihr Land 
leicht wegzunehmen 
hoffte wie Indern 
oder Negern, 
zum Burenkrieg ge- 
worden, zu einem 
der langwierigsten 
und heroischesten 
Kämpfe der Neuzeit. 
In offener Schlacht 
wie im heimlichen 
Guerillakrieg be- 
siegt, mußte Eng- 
land neue und neue 
Söldnerheere nach 
Afrika treiben und 
erst mit den er- 
bärmlichsten Repres- 
salien, mit den be- 
rüchtigten Konzen- 
trationslagern, in 
denen Weiber und 
Kinder der Buren 
elend dahinsiechten, 
mit Bestechung und 
Umgarnung, gelang 
es den Staats män- 
uern durchzusetzen, was das Heer mit blanker Waffe nicht zu er- 
reichen vermochte. In breijährigem, erbitterten Kampf, der 
England Milliarden kostete, war schließlich ein großes Reich 
gewonnen, aber auch ein großes Prestige verloren. 
Finanziell geschwächt, militärisch mißachtet, von den 
Sympathien der ganzen Kulturwelt durch den brutalen Über- 
fall auf die kleinen friedlichen Farmerrepubliken entfremdet, 
stand England jetzt allein. Aber es war nicht die „splendid 
Isolation" mehr, die 
selbstgewählte un- 
abhängige Einsam- 
feit des Stolzes, 
sondern ein Ab- 
seitsstehenimSchat- 
ten. Der kostspielige 
Krieg hatte unend- 
liche Verheerungen 
im Wirtschaftsleben 
angerichtet, andere 
Staaten, Deutsch- 
land vor allem, 
hatten durch fleißige 
Friedensarbeit in- 
zwischen viel Han- 
I del an sich gerissen, 
Rußland fühlte sich 
des lästigen Kon- 
kurrenten in Asien 
ledig und löste mit 
gutem Appetit Stück 
um Stück vom ga- 
ren Braten Chinas 
los. Während Eng- 
land bisher groß 
geworden war, da- 
durch, daß es am 
Kontinent Kriege 
anzettelte und von 
jedem Gewinn einzig 
von Indien. durch das Recht des
	        
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