Volltext: Unteilbar und untrennbar (1,1919)

Linienschissskapitän Richard Makoviz. 
Der Seekrieg 1914. 
In einer der denkwürdigsten Kriegssitzungen des japanischen 
Parlaments beschloß dieses nun am 4. August 1914 über Antrag 
des Ministerpräsidenten Graf O k u m a und des Ministers 
des Äußeren Baron Kat 0, das Deutsche Reich in einem 
Ultimatum zur Rückgabe des Schutz- und Pachtgebietes von 
Kiautschau aufzufordern, welches Ansinnen deutscherseits noch 
vor Ablauf der Frist (23. 8. mittags) schroff abgelehnt wurde. 
Hierauf erfolgte von Seite Japans die Kriegserklärung an 
Deutschland, die naturgemäß auch jene an Österreich-- 
Ungarn nach sich zog, was von Seite dieser beiden Groß- 
mächte durch analoge Gegenerklärungen beantwortet wurde. 
Das deutsche Schutzgebiet zu Tsingtau-Kiau tschau. 
Die Erwerbung der Niederlassung zu Tsiugtau durch das 
Deutsche Reich entsprang dem Wunsche, für den rapid auf-- 
blühenden Orienthandel ein eigenes 
Heim, und für das Geschwader in 
Ostasien einen eigenen Stützpunkt zu 
schaffen. In dieser Hinsicht waren 
die übrigen europäischen Nieder- 
lassungen Hongkong, Saigon, 
Shanghai, Schamin und 
Macao bei Canton, Atchin 
auf Sumatra usw. gewissermaßen 
vorbildlich. Die Ermordung von 
zwei Missionären der katholischen 
Steyler--Mission durch die Chinesen 
bot den Anlaß, um am 14. Novem- 
ber 1897 den Chef des Kreuzerge- 
schwaders Vizeadmiral von D i e- 
d e r i ch s mit 2000 Mann Marine-- 
soldaten beiTsingtau zu landen. 
Hierauf überließ China dieses Ge, 
biet auf Grund eines Pachtver-- 
träges für 99 Jahre an die 
Deutschen. Das Schutzgebiet um*, 
faßt nur 551 Quadratkilometer 
Terrain, worunter 43,6 Quadrat- 
kilometer Jnselgebiet zählen. Innere 
halb dieser Zone liegt die große 
Stadt Kiautschau, die zwar 
nicht zum Pachtgebiete gehörte, 
wohl aber der Bucht und dem 
Schutzgebiet den Namen gab. Durch 
kaiserliche Verordnung vom 27.April 
1898 wurde nämlich die ganze Nie-- 
derlassung zum „deutschen 
Schutzgebiet" erklärt, wobei es fortan der Verwaltung 
der kaiserlichen Marine unterstellt wurde. Anfangs eine 
Militärkolonie, gewann Tsingtau allmählich den Charakter 
eines allerdings befestigten Handelshafens, wobei der Ge- 
samtumsatz an Waren im Jahre 1913 einen Wert von 200,3 
Millionen Mark erreichte. Das konnte natürlich den Eng-- 
ländern und Japanern nicht behagen. .... 
Der km hügeligen Gelände gelegene OrtTsingtau ist 
auf der Landseite von amphitheatralisch ansteigenden Höhen 
eingeschlossen, hinter welchen im Osten eine weitere Bergkette 
— die Priuz-Heinrichs-Kuppe — die Höhe von 
330 Meter erreicht. Es folgt gegen Osten zu der 400 Meter 
hohe Höhenzug des K a i se r st u h l s, endlich das Hoch-- 
gebirge von La us ch a n, das dann jenseits der Grenze eine 
Maximalhöhe von 1130 Meter aufweist. Alle drei Ring¬ 
gebirge umgeben die Bucht in kcnzentrischen Kreisen, ost- 
wärts in Niederungen flach auslaufend. Da auf den Fels- 
kämmen verwitterter Granit vorherrscht, so erinnert diese 
Formation an dalmatinische Karstgebiete. Die anfänglich 
primitive Niederlassung reifte in den letzten 17 Jahren zur 
deutschen Hafenstadt aus. Das heißt, eine umsichtige Stadt- 
Hygiene und Krankenpflege, die Aktivierung elektrischer Be- 
leuchtung, Anlegung einer Trinkwasserleitung, von Hafen- 
bauten, Warenhäusern, Anlegeplätzen, Kohlenlagern usw. ge- 
stalteten diese Kolonie im Sinne der Jntensionen des Kaisers 
„zu einer Musterstätte deutscher Kultur" aus, die auch der 
deutsche Kaufmann aufsuchte und mit der Heimat immer 
inniger zu verbinden suchte. Von 1902 bis 1911 flieg der 
Gesamttonnengehalt der einlaufenden Schiffe von 500 000auf 
2 Millionen Tonnen. Im Jahre 1913 liefen bereits 317 
Schiffe unter deutscher Flagge ein. Hand in Hand mit den 
Hafenbauten ging der Bau von 
Werftanlagen, Docks-, Lösch- und 
Ladevorrichtungen usw. Ursprünge 
lich hatte man sich mit einer be- 
scheidenen Reparaturwerkstätte be- 
gnügt, bald erfreute man sich aber. 
eines größeren Schwimmdockes,' 
staatlicher und privater Schiffbau- 
Hellinge, eines kleinen Marine-^ 
arsenals und immer ^stärkerer Be- 
festiguugen. Mit Hongkong ver- 
glichen, schnitt letzterer Stützpunkt 
der Engländer in jeder Hinsicht 
unvorteilhaft ab. | 
Die Notwendigkeit, den Hafen 
mit den Kohlengruben zu verbinden, 
ließ die Schantungbahn entstehen, 
während eine „Südbahn" die Ver- 
wertung der Bodenprodukte ber 
fruchtbaren Provinz H 0 nan er- 
leichtern sollte. „Beide Bahnen zu- 
sammen werden" — laut Nauticus 
vom Jahre 1914 — „Kiautschau 
immer mehr in das große chinesische 
Wirtschaftsgebiet hineinwachsen 
lassen, so daß es bald einen deutschen 
Teil des großen Chinas, und nicht 
mehr eine ausländische Kolonie dar- 
stellen wird." Gerade im Mai 1914 
war es gelungen, deutsche Unter-- 
nehmer für die Errichtung eines 
großen Eisenwerkes zu gewinnen — 
aber leider sollte dieses nicht mehr verwirklicht werden, denn 
noch im selben Jahre ging diese Perle deutscher Koloni-- 
satiousarbeit auf wer weiß wie lange verloren! 
Tsingtau bedeutete aber keineswegs eine kommerzielle 
Durchschnittskolonie, wie so viele andere fremde Nieder- 
lassungen, sondern geradezu eine Hochburg deutscher Kultur 
im äußersten Osten — die nun leider, leider für lange Zeit 
dahin ist. Nach diesen Vorbemerkungen will ich mich jetzt 
den kriegerischen Ereignissen selbst zuwenden, zuvor jedoch 
unseren Kreuzer „Kaiserin Elisabeth" beschreiben, 
dessen tragische Mission es gebildet hat, unsere Kriegsflagge 
im fernen Osten zu vertreten und mit ihr, angesichts einer 
erdrückenden Ubermacht, ehrenvoll unterzugehen.
	        
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