Volltext: Unteilbar und untrennbar (1,1919)

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es gilt ganz allgemein für alle, namentlich die Mittel-- 
meermächte, ob sie nun direkt am Kriege beteiligt, oder 
als Neutrale nur indirekt vom großen Ringen in Mitleiden- 
schaft gezogen waren. 
Rußlands ungestümer Drang nach dem 
„warmen" Meere ist es doch in erster Linie gewesen, 
Her den Krieg unvermeidlich machte, und auch Serbien 
kämpfte nicht letzten Endes um die Erlangung eines Ausfuhr- 
Hafens in der Adria. „Österreich-Ungarns 
verwundbarste Stellung liegt im Adria- 
tischen Meere!"; so schrieben doch alle großen pan- 
slawistischen Blätter in unaufhörlichen Variationen schon 
Monate hindurch vor der Tragödie zu Sarajewo, und niemand 
wird länger verkennen dürfen, daß wir in der Monarchie Wirt- 
schaftlich zu Tode getroffen wären, wenn unsere haßerfüllten 
Feinde ihre Pläne, uns von der Adria abzudrängen, zu ver- 
wirklichen vermocht hätten. 
Der Krieg zu Wasser seit Beginn dieses großen Krieges, 
wie er in den nachfolgenden Kapiteln zur Schilderung gelangt, 
lehrt uns vor allem: daß wir fortan nicht nur zu 
Lande, sondern auch zur See stark gerüstet 
bleiben müssen, um weitere Anschläge un- 
serer Neider unmöglich zu machen. Deshalb 
soll hier auch der Zusammenhang der Opera- 
tionen klar gemacht werden, wie er tatsächlich zwischen 
Heer und Flotte besteht, zwischen diesem unzertrennlichen 
Händepaar der bewaffneten Macht, das überall auf die gegen- 
feitige Unterstützung angewiesen ist, wenn die gemeinsamen 
Ziele mit dem geringsten Kräfteaufwand und den kleinsten 
Opfern erreicht werden sollen. Hiedurch möge dann der Ein- 
ficht zum Durchbruch verholfen werden, daß unser Volks- 
wirtschaftliches Gedeihen mit unserer 
Machtstellung in der Adria innig ver- 
knüpft i st, so daß schon aus diesem Grunde die möglichste 
Verstärkung unserer Kriegsflotte eine unbeseitigbare, ja eine 
nicht zu umgehende Voraussetzung für unser Gedeihen als 
Wirtschaftsstaat und für unsere fernere Existenz als militärisch- 
-finanzielle Großmacht bildet. 
Nur wenn die strategischen Erfordernisse weder an den 
materiellen Fragen, noch an den hiedurch heraufbeschworenen 
taktischen Unzulänglichkeiten scheitern, sondern wenn ihnen 
vielmehr mit dem vollen Einsatz reichlicher Kräfte entsprochen 
werden kann: nur dann können wir so stark 
dastehen, daß uns niemand nochmals an- 
zugreifen wagt. Denn der Friedenswille 
allein genügt leider nicht zur Vermeidung von Kriegen; das 
hat der jüngste Weltenbrand wohl unwiderlegbar bewiesen. 
Wer noch daran zweifelt, der möge aus den folgenden Kapiteln 
erkennen, daß man sich bei uns in der Flotte wohl jeden Augen- 
blick ganz klar darüber war, was vorzukehren wäre, daß 
es aber meistens an den hiezn notwendi- 
gen Mitteln gebrach, um die einzelnen Unter- 
nehmungen mit genügender Sicherheit für einen Erfolg wagen 
zu können, ohne durch eine soche Aktion den Totalverlust der 
eingesetzten Kräfte heraufzubeschwören. Diesmal hat unsere 
Flottenmacht glücklicherweise vorläufig noch hingereicht, um 
unsere Gegner zur See durch die bloße Kampfbereitschaft und 
Schlagfertigkeit der k. u. k. Flotte dermaßen in Schach zu 
halten, daß weder Franzosen noch Engländer oder 
Italiener einen ernsteren Angriff auf unsere Küste»; 
wagten, der bestimmt nicht unterblieben wäre, wenn die zu 
verzeichnenden einzelnen Heldentaten nicht wiederholt den 
schlagenden Beweis für die Offensivfreudigkeit der k. u. k. Be- 
manunngen geliefert hätten. 
Aber bis zum nächsten Waffengange wird der Feind kaum 
ruhen, und deshalb kann es keine Pause, keinen Stillstand 
in unseren Flottenrüstungen geben. Der schmerzlich 
zutage getretene Vorsprung des Aus- 
landes darf sich nicht noch weiter ver- 
größern; nein: er muß im Gegenteil von 
jetzt an mit allen Kräften der baldigsten 
Beseitigung zugeführt werden! 
Möge es den Darlegungen dieses Abschnittes gelingen, auf 
Grund der Kriegsereignisse zur See, der Erkenntnis dieser 
Staatsnotwendigkeilen zur rückhaltlosen Anerkennung zu 
verhelfen. 
i» Kapitel. 
Die Kriegsereignisse in der Adria. 
Die maritime Lage im Mittelmeer zu Anfang 1914. 
In unzähligen Leitartikeln und Flugschriften ist schon 
seit langer Zeit bei uns in Zentraleuropa überzeugend und 
unwiderlegbar nachgewiesen worden, daß König Eduards VII. 
Einkreisungspolitik zunächst die diplomatischen 
Grundlagen, die heimlichen Heeresrüstungen der Drei- 
verbändler aber die großzügigen militärischen Vor- 
Aussetzungen für den jüngsten Weltkrieg auf allen 
Fronten geschaffen haben, so daß das Projekt unserer Zer- 
trümmerung konspiratorischer Weise etwa seit dem Jahre 1907 
in Vorbereitung stand. 
Ganz ähnlich wie hiebet zu Lande zu Werke gegangen 
wurde, um mit der russischen Dampfwalze Österreich-Ungarn 
und das Deutsche Reich zu vernichten, und nicht nur mit den 
„zahmen" weißen, sondern auch mit den „wilden" farbigen 
Franzosen, die Rheinprovinzen zu verheeren, endlich mit dem 
Söldnerheere der Engländer alle Waffenentscheidungen im 
europäischen Westen zu Gunsten der gemeinsamen Sache, 
der möglichst vollendeten Zerstörung der Zentralmächte, er-- 
zwingen zu können, indes der rollende Rubel und die silbernen 
Kugeln Albions am Verführerwerke waren, um egoistischer 
Weise alle Neutralen in den Krieg hineinzuziehen: ebenso 
spiegelt sich schon seit Jahren auch in den Flottenmaßnahmen 
unserer Gegner das Bestreben deutlich wider, alles mit Umsicht 
vorzubereiten, damit der Plan unserer Vernichtung mit allen 
Kräften bestens gesichert werde. 
Ganz abgesehen von der um jenen Zeitpunkt zunächst in 
England einsetzenden Dreadnought-Epoche, die das erdrückende 
Übergewicht der englischen Flotte über jene des verhaßten 
deutschen Welthandelsrivalen jenseits des Kanales auf Jahre 
hinaus für das Jnselreich sichern sollte, waren es hauptsäch- 
lich f ü « f Momente, die schon seit geraumer Zeit erkennen 
ließen, mit welcher einverständlichen Beharrlichkeit Eng-
	        
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