Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Feldjug gegen Rußland. 
Stellungen sahen ans wie ein unendlich langer Wirbel von 
dunklen Wolken, die durch Blitze erleuchtet wurden. Der 
wilde Hagel von Geschossen aller Kaliber, der vier Stunden 
lang auf die russische Front niederprasselte, hieb alles zu-- 
sammeu. Was später die Gefangenen erzählten, die über-- 
einstimmend aussagten, daß sie sich die Hölle nicht schlimmer 
vorstellen könnten, gehört in seiner herzbewegenden Einfache 
heit zu den grauenvollsten und erschütterndsten Darstellungen 
dieses Weltkrieges. Bataillone, Regimenter, Brigaden, 
Divisionen schmolzen unter diesem unaufhörlichen Geschoß- 
Hagel dahin wie in der Glut eines Hochofens. Bei einer 
russischen Reservediviston wurden sämtliche Generale und 
Stabsoffiziere getötet oder verwundet. Nach keiner Seite 
hin war eine Rettung möglich, denn es gab kein Fleckchen 
Erde, auf das die Geschütze der Verbündeten nicht gewirkt 
hätten. Viele der Russen wurden irrsinnig und verkrochen 
sich in die tiefsten Unterstände und in die letzten Winkel der 
Schützengräben. Von allen Seiten übertönten hysterische 
Schreie noch das Gebrüll der Geschütze, zu stark fast und zu 
gellend für menschliche Nerven. Als dann unsere Infanterie 
zum Sturm vorging, fand sie ganze Haufen russischer Sol- 
baten, die stieren Blickes in den Unterständen herumhockten 
und sich willenlos in die Gefangenschaft abführen ließen. 
Punkt ioUhr schwieg urplötzlich das gewaltige Geschütz-- 
feuer und gleichzeitig brach mit dreifachem, donnerndem 
Hurra, zuerst am südlichsten Flügel, dann gegen Norden 
fortschreitend, das Fußvolk zum Sturme vor und fegte 
hinweg, was noch Widerstand leistete. Was sich nicht zur 
Flucht wandte, wurde niedergemacht oder gefangen ge- 
nommen. Uber alles brausten diese in einer Linie einher-- 
rasenden, prachtvollen Infanteriefluten hinweg. In einem 
Chaos zerschossener Drahthindernisse, aufgewühlter Deckungen 
und russischer Leichen wälzte sich der wütende Angriff unauft 
Trommelfeuerwirkung auf Höhe 419 bei Tarnüw. Fliegeraufnahme. 
haltsam vorwärts. An manchen Stellen liefen die Russen 
selbst im Zickzack zwischen ihren Drahthindernissen hervor, 
ein braunes Gekrappel von Menschen, die mit hocherhobenen 
Händen und entsetzten Mienen um Schonung ihres armseligen 
Lebens baten. Trotzdem zeigte sich der Feind an manchen 
Stellen auch sehr tapfer und leistete erbitterten Widerstand, 
namentlich in den weiter rückwärts gelegenen Grabenreihen, 
so daß es hier noch zu recht hartnäckigen und blutigen 
Kämpfen kam. Immer wieder versuchten russische Reserven, 
den Ansturm der Verbündeten aufzuhalten, aber dem 
stegesfrohen Ungestüm dieses wohldurchdachten und glänzend 
vorbereiteten Angriffes waren auch sie nicht gewachsen. Die 
immer weiter um sich greifende Panik in ihren Reihen war 
nicht mehr aufzuhalten. Bis zum Abend des 2. Mai war der 
Durchbruch in dem hiezn ausersehenen Frontstück beiderseits 
Gorlice bis Cixzkowice an der Biala und bis Malastüw am 
Abfall des Gebirges vollbracht. Hier hatte das X. Korps 
gute Arbeit geleistet, während das VI. Korps im Räume um 
Luzna Siegeslorbeeren erstritt. Das Durcheinander in den 
russischen Reihen war ein derartiges geworden, daß auch die 
größte Führerkunst es für die folgenden Gefechtstage nicht 
mehr zu entwirren vermochte. Alle Verbände waren zerrissen, 
viele irrten suchend umher, wußten nicht, wohin sie gehörten 
und aus Hunderttausenden zäher Soldaten, die bis dahin 
eine große Einheit zusammengefaßt hatte, waren zahllose 
zerfallene Haufen geworden, die der Gegner einsammelte, 
wie man reife Früchte von den Bäumen schüttelt. 
Der 4. Armee fiel vornehmlich der Stoß gegen die äußerst 
starken Stellungen der Russen zwischen Biaka und Dnnajec 
zu. Es handelte sich insbesondere um die die ganze Umgebung 
beherrschende Höhe 419 und die benachbarte Höhe 402, 
auf denen sich sechs russische Regimenter in Hindernisgespick-- 
teu Befestigungen eingegraben hatten. Zum Sturm gegen 
Höhe 419 wurde das 
4. Tiroler Kaiser-- 
jägerregiment äuge- 
setzt, während die 
3. Kaiserjäger die 
Kuppe 402 auf sich 
nahmen. Es zeigte 
sich aber, daß die Ruf-- 
sen hier trotz schwerer 
Verluste durch das 
Artilleriefeuer doch 
noch nicht genügend 
erschüttert waren und 
so konnten die Tiroler 
auf den kahlen, kei- 
nerlei Schutz gewäh-- 
reuden Hängen nur 
langsam vorwärts-- 
kommen, so tapfer 
sie auch fochten. Doch 
auch dieses Werk ge- 
lang unter Mitwir-- 
kuug der Artillerie am 
3. Mai. Die Kaiser¬ 
jäger drangen bis 
vor die feindlichen 
Schießscharten, feuer- 
ten durch diese in die 
Gräben hinein und 
am Nachmittag war
	        
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