Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Die Eroberung von Belgrad. 
die Verteidiger. Und wie es in jenem Lande seit Urväterzeit 
Brauch, kämpfen auch Weiber, werfen Bomben, bedienen 
Maschinengewehre. Sind es wüste Megären, blutdürstige 
Hyänen, oder sind es herzhafte Amazonen, erzürnte Löwinnen? 
Gleichviel. Wer hat jetzt Verständnis für diesen Unterschied. 
Nur weiter f Nieder mit ihnen, ob Mann oder Frau, nieder 
mit allen, die sich entgegenstellen, keinen Pardon geben noch 
nehmen; nieder mit ihnen und hinweg über sie! — Das 
Straßenpflaster färbt sich dunkler und dunkler rot, ober ihm 
dunstet der Hauch des aus hundert und aberhundert Bornen 
rieselnden, sprudelnden Lebensquells. Weiter, immer weiter! 
Hinein in die Häuser, wo sich an den Fenstern Gewehrläufe 
zeigen, hinein in jene, von deren Dächern sich siedendes 
Wasser auf euch ergießt, brennende Kienspäne herabsausen! 
Rennt die Tore ein, brecht ein durch den Flur; metzelt sie 
nieder, die euch den Eintritt wehren! Die Treppe hinauf 
in die Stuben! — Pulverdampf, Brandgeruch im ganzen 
Hause, Jammern und Stöhnen, dann sitzt der rote Hahn 
am Dach, vom Hausherr selbst daraufgesetzt. Die Unsrigen 
reißen ihn schnell herab, noch ehevor seine flammenden 
Schwingen den First berühren. Hier gelingt's, beim Nach-- 
bar nicht mehr. Dort qualmt's schon an allen vier Ecken 
und glost im Bodengeschoß; sie kommen zu spät. Weiter, 
weiter! zum Löschen ist jetzt keine Zeit. Und weiter bahnen 
sie sich — ihre blanke Waffe stechend, der Kolben dreschend, 
die Faust niederschlagend, die Finger krampfhaft dem Feinde 
die Gurgel zusammenpressend — den Weg; immer weiter 
— säend den Tod, sie selbst Ernte des Todes — weiter 
bis zu der ihnen als Ziel bestimmten, die Donaustraßen 
durchquerenden Car DuSauova-Gasse. Sind es noch viele, 
sind es nur noch wenige, die bis zu ihr gelangten? Ihrer 
noch genug, um schnell Barrikaden aufzurichten, von ihnen 
aus dann mit dem bleiernen, auf ihren Gewehrläufen ge- 
stielten Besen die weiterführenden Straßenzüge reinzufegen. 
Dann endlich — 6 Uhr ist es — können sie die Waffen ruhen 
lassen. Sie hatten ihre Pflicht — und zehnfach mehr! — getan, 
ihre schwere Tagesarbeit ist beendet. Der blutrote Schleiern 
nebel vor ihren Augen zerstiebt jetzt, und sie, die noch vor 
Augenblicken wütende, zähnefletschende Wölfe waren, sind 
nun friedsame, sanfte Menschen — und es ist ein furchtbar 
Grauen um sie herum. Doch sie wollen das Häßliche nicht 
sehen, nicht daran denken, daß die Siegespalme des Kriegers 
nur auf leichengedüngtem Boden wächst — und freuen 
sich ihres Sieges, wie es tapferen Kriegern geziemt. Hurra! 
für Kaiser und König, Hurra! fürs Vaterland — und nun 
danket Gott... 
Eine Kompagnie der 87er war unterdessen gegen die 
- Flanke des dem rechten Flügel des Feldjägerbataillons 15 
gegenüberliegenden Feindes vorgedrungen und hatte ihn 
auch dort zurückgedrängt. Als aber dann die am Flügel 
kämpfenden Jäger vorbrachen, stießen sie schon bei den 
ersten Häusern auf solch erbitterten Widerstand des ihnen an 
Zahl weitüberlegenen Feindes, daß sie am Stadtrand an- 
halten mußten. Für die Allgemeinheit der Truppen war 
dies weiter von keiner Bedeutung, und für die Jäger selbst 
auch nicht gerade schmerzlich. Bedenklicher sah es am äußersten, 
unterm Befehl des Major Christian stehenden linken 
Flügel aus, der von den die Schlachthäuser mit erstaunlicher 
Zähigkeit haltenden Serben auch noch eine Zeitlang nach dem 
Sturm gefährdet war. Die Braven dort bedrängte Feuer und 
Wasser zugleich: der Feind und die stets höher steigende Donau. 
Schließlich erwehrten sie sich aber jenes, spottend dieser, 
deren schlammige Fluten ihnen schon bis an die Knie reichten. 
Der Turm auf dem Kalimegdan. 
Die anderen überschifften Truppen waren zum größten 
Teil den vorausgestürmten nachgefolgt und standen jetzt 
hinter ihnen in Reserve; welche nicht nachgefolgt waren, 
hielten noch am Eisenbahndamm. 
* * 
Auch beim deutschen XXII. Reservekorps hatte die Uber- 
schiffung in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober gute Fort- 
schritte gemacht, und als dann genügend Truppen auf der 
Großen Zigeunerinsel versammelt waren, griffen sie die noch 
immer ihnen gegenüber festfußenden Serben an. Dabei 
ging's nur langsam vorwärts, denn hatte man auch den Feind 
bald aus seinen Gräben geworfen, so war es um so zeit-- 
raubender und schwerer, ihn von den Bäumen herabzuholen, 
aus dem Schilfdickicht, den Gruben, Löchern und hunderterlei 
anderen Schlupfwinkeln herauszutreiben, richtiger gesagt, 
ihn darinnen zu Tode treffen, denn keiner der Tapferen 
wollte vom Sich-ergeben etwas wissen. Als endlich auch der 
Letzte von ihnen, die ihr Leben teuer verkauft, fiel und die 
Deutschen im Besitz der Großen, gleichwie der Kleinen Zi-- 
geunerinsel waren, hieß es für sie, sich je schneller des nach 
dem anderen Ufer führenden Steges und der Floßbrücke 
zu bemächtigen, damit nicht etwa die im Brückenkopf noch 
haltenden Serben Zeit fänden, sie zu zerstören. Auch dies 
war nicht leicht und ging nicht so schnell, doch bis gegen Mittag 
gelang es trotzdem, und da mittlerweile auch die feindliche
	        
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