Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

480 Der Feldzug gegen 
dämm in einem Stollen zu durchgraben und gegenüber 
dem Wächterhaus zwei Maschinengewehre in Stellung zu 
bringen. Jetzt erst konnte ernstlich daran gedacht werden, 
ein Ende zu machen. Gedacht, getan. Die Jäger stürmten 
durch den Stollen vor, schlugen was ihnen unter die Hand 
kam nieder und setzten sich, als kein Serbe mehr die Waffe 
gebrauchen konnte, in den erstürmten Schützengräben am 
jenseitigen Hang des Dammes fest. Als bald darnach 
ein Maschinengewehr in die Stellung gebracht wurde, mähte 
es den ganzen Südhang des Dammes vom Feinde blank. 
Dies war entschieden gründliche Arbeit und zweifelsohne 
ein schöner Erfolg des Unternehmungsgeistes und der 
Tapferkeit, doch trotzdem begann die Lage, sowohl hier, wie 
überhaupt bei den gelandeten Truppen, immer bedenklicher 
zu werden. Im ganzen befanden sich ja nur 15, bereits 
beträchtlich — ja nahezu um die Hälfte — geschwächte Kom- 
pagnien am diesseitigen Ufer, wohingegen sich der Feind 
von Stunde zu Stunde verstärkte und auch schon überall 
Anstalten zum Gegenangriff traf. Unsere Artillerie jenseits 
des Stromes vermochte ihn daran leider nur wenig zu hindern, 
denn auf vielen Teilen der Front konnte.sie, der geringen 
Entfernung der feindlichen Stellungen von jenen der eigenen 
Truppen halber, überhaupt nicht eingreifen und dort, wo 
ihr dies allenfalls möglich gewesen wäre, wußte sie, mit einigen 
Ausnahmen, wieder nicht so recht, an welcher Stelle ihr 
Feuer am nötigsten wäre. Die Wachsamkeit der Serben 
verhinderte eben jede Verbindung durch optische Signale 
von Ufer zu Ufer — die Legung eines Telephonkabels über 
den Strom war aber, des Hochwassers und des feindlichen 
Feuers wegen, noch nicht gelungen. Selbst ist der Mann! 
hieß es also für die Bedrängten, hinter welchen die Schiffe 
verbrannt waren. Und gewiß, sie waren alle bis zum Letzten 
bereit, ihren Mannesmut zu beweisen. 
Hatten am serbischen Ufer die 74er, 84er, 87er und 
60 er Infanterie und die 15 er Jäger nichts Gutes, so war 
auch die Lage der am ungarischen Ufer und auf der Ko^ara- 
insel der Einschiffung harrenden Truppen keineswegs be; 
neidenswert. Die feindliche Artillerie hielt auch sie ständig 
unter Feuer und fügte ihnen empfindliche Verluste bei. Ihr 
Führer, FML. G n j a r i c, wurde zeitlich am Morgen 
des 7. Oktober auf seinem Beobachtungsstand am Süd- 
rande der Kozarainsel verwundet, worauf GM. v. H r 0 z n y 
das Divisionskommando übernahm. Natürlich konnte auch 
er, wie die Dinge standen, namentlich da fast die Hälfte der 
Uberschiffungsmittel verloren gegangen war, nichts anderes 
tun, als was sein Vorgänger beabsichtigte, das heißt, für die 
Uberschiffung die Nacht abzuwarten, seiner Artillerie aber 
nochmals ans Herz legen, den Kameraden drüben mit 
allen zu Gebote stehenden Mitteln in ihrer Bedrängnis bei- 
zustehen. Ebenso wies das Korpskommando die schwere 
Artillerie erneuert an, die feindliche schwere Waffe der Festung 
und des Veliki Vracar mit aller Kraft zu bekämpfen. Nun, 
diese und jene tat alles, was nur möglich war, dennoch 
konnten sie so mancher serbischen Batterie in ihrer geschickt 
gewählten Stellung nicht beikommen. Und so entlud sich 
deren Feuer gleich ungestüm wie früher über die gelandeten 
Truppen; am heftigsten dort, wo die Stellungen des Feld-- 
jägerbataillons 15 und des Bataillons 87 aneinanderstießen. 
Schwer, sehr schwer wurde es den Braven dort gemacht, 
auszuharren. Dabei war es noch als eine Gunst des Kriegs- 
glücks anzusehen, daß sich die Serben nicht besannen, ihre 
Infanterie zu einem einheitlichen Angriff gegen die Ge- 
schwächten vorzuführen, dem diese, die ja nicht mehr weit 
Sexbien 1915/16. 
davon entfernt waren, ihre letzte Patrone zu verschießen, 
kaum noch gewachsen gewesen wären. Wenig half es dabei, 
daß im Laufe des Nachmittags noch ein Zug 60er von der 
bis auf eine Halbkompagnie zusammengeschmolzenen Reserve 
zur Unterstützung des hartbedrängten linken Flügels der 
Jäger vorgezogen wurde; denn obwohl jetzt fast schon alles 
in der vordersten Linie focht, so stand diese nichtsdestoweniger 
noch immer auf schwachen Füßen. Zweitausend Mann 
waren es kaum, die hier eine 4000 Schritt lange, zum Teil 
nur notdürftigst befestigte Stellung gegen eine zwei- bis 
dreifache Überzahl verteidigten — 2000 Mann Fußvolk 
ohne Artillerie und nahezu schon ohne Patronen! Endlich, 
als ihnen das Unheil schon von allen Seiten auflauerte, 
kam ihnen Hilfe von den Monitoren. 
Die Donauflottille war nicht müßig gewesen. Sie hatte 
seit dem Morgen die feindliche Geschützstellung östlich der 
Festung beschossen; von 3Uhr nachmittags an kreuzte sie, um 
die feindlichen Batterien herauszufordern, in zwei Gruppen 
bei der Großen Kriegsinsel. Zwar gelang es ihr nicht, die 
feindlichen Geschütze der Festung und jene auf dem Veliki 
Vracar zum Schweigen zu bringen, doch erzielte sie dennoch 
einen vollen Erfolg dadurch, daß sie das feindliche Feuer 
von der eigenen Infanterie abzog. Dank ihr, die sich so, 
trotzdem die „Körös" bereits mehrfach havariert war und 
zwei Motorboote gefechtsunfähig wurden, bis zum Abend 
dem Feinde sozusagen als Zielscheibe anbot, überwanden 
die gelandeten Truppen guten Mutes die schwersten Stunden 
des für sie gar schweren Tages. Als es nun zu dämmern 
begann, da war^s gewonnen, denn die Unterstützung konnte 
nicht mehr lange auf sich warten lassen. — Gewonnen. 
Bewahre schon alles; nicht einmal viel — doch die k. u. k. 
Truppen waren drüben, hatten drüben schon Wurzel gefaßt. 
* * 
* 
Das deutsche XXII. Reservekorps der 3. Armee, dem 
der Angriff auf die Westfront von Belgrad und die südlich 
der Feste gelegenen Höhen übertragen war, hatte nicht 
minder schwere Kämpfe zu bestehen als das k. u. k. VIII. Korps. 
Auch beim deutschen Korps war es der Artillerie nicht gelun- 
gen, die ihr gegenüberstehenden feindlichen Batterien, ins- 
besondere jene auf dem Topcidersko- und dem Banovo brdo 
niederzukämpfen, als bereits die Zeit für die Uberschiffung 
der Infanterie herangekommen war. Kurz vorher, das 
war genau 15 Minuten nach 1 Uhr morgens des 7. Oktober, 
griffen auch die Minenwerfer in den Artilleriekampf ein, 
der sich unterdessen zur größten Heftigkeit gesteigert hatte. 
Ein ununterbrochener Donner rollte jetzt ober der Save, 
Blitze zuckten, Geschosse aller Größen zeichneten am nächt- 
lichen Himmel ihre da grellrote, dort schwefelig-gelbe oder 
fahlgrüne Bahn, um in einer mächtigen Feuersäule, krachend 
und berstend, vor, in und bei Belgrad zu enden. Das war 
die Zeit, wo das schwere Werk beginnen sollte. Wie mit 
einem Zauberschlag kam jetzt in die Pontone, die in dem von 
Bezanija zur Save führenden Galovica-Kanal verborgen 
lagen, Regung und Bewegung. Losgelöst von den Ketten, 
glitten sie, schwarzen Särgen gleich, gespensterhaft dem Flusse 
zu. Dort hohen sie die sehnigen Pioniere aus ihrem nassen 
Grab, dem toten Kanalwasser heraus, trugen und schoben 
sie über den Damm und die versandete Kanalmündung und 
ließen sie in das lebende Wasser der Save vorsichtig hinab. 
Die Truppen, die dort am Ufer in Verstecken gewartet, 
schifften sich nun in aller Stille ein. Noch ein Raunen, Flüstern, 
und dann: Mit Gott! Pioniere, stoßt ab! — Es war zehn 
Minuten nach 2 Uhr morgens.
	        
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