Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

442 
Seekrieg 1915/16. 
handelspolitische Probleme und Kriegslieferungen zu beraten. 
— Kitchener und sein Stab fuhren mit der Bahn 
bis nach dem äußersten Norden Schottlands und gingen 
bort an Bord des Panzerkreuzers „tz a m p s h i r e", der den 
Hafen am Abend des ?. Juni verlies. Es herrschte schlechtes 
Wetter und starker Seegang. „Hampshire" fuhr längs 
ber Westküste der Orkneyinseln. Der Wind frischte zum 
schweren Sturm auf und die See ging über das Vorschiff, 
so baß ein Teil der Lucken geschlossen werden mußte. Zwischen 
y2Sund %8 Uhr nachm. stieß das Schiff auf eine Mine (nach 
anderen Versionen soll es von zwei deutschen Tauchbooten 
anlanciert worden sein) und begann sofort mit dem Bug 
zu sinken. Es neigte sich dann nach Steuerbord, bis es unge- 
fähr eine Stunde später versank. Der Kommandant rief 
alle Leute auf den Posten, um das Schiff zu verlassen. Einige 
Lucken wurden geöffnet. Die Mannschaften begaben sich 
rasch auf ihre Stationen und es wurde versucht, die Boote 
niederzulassen. . Eines brach in der Mitte auseinander und 
die Insassen stürzten ins Wasser. 
Das Unglück ereignete sich zwischen Marwickhead und 
Broughead nördlich der Bucht von Skail, an der Westküste ■ 
der größten Orkneyinsel. 
Als die Leute durch eine der Lucken ihre Posten aufsuchten, 
erschien Lord Kitchener in Begleitung eines Marinen 
offiziers. Dieser rief: „Platz für K i t ch e n e r Sie begaben 
sich nach dem Halbdeck und später sah man vier Stabsoffiziere 
über das Halbbeck der Backbordseite nach dem Hinterschiffe 
gehen. Der Kommandant rief K i t ch e n e r zu, er solle nach 
vorn auf die Brücke kommen, wo das Boot des Komman-- 
Tanten zu Wasser gelassen wurde. Man hörte auch, daß 
der Kommandant Kitchener zurief, er möge ins Boot 
sieigen. Niemand konnte sagen, ob K i t ch e n e r das Boot 
erreichte oder nicht und was aus dem Boot geworden ist. 
Es sah auch niemand, ob eines der Boote vom Schiff frei-- 
kam. Der Kreuzer war von 2 Zerstörern begleitet, die ihn 
infolge des schweren Seegangs im Laufe der Fahrt verliefen. 
Zwischen 150 und 200 Mann kamen auf Flößen vom 
Schiff frei, glitten aber nacheinander von den Flößen herunter 
oder gingen an Erschöpfung oder Kälte zugrunde. Einige 
müssen auch bei dem Versuch, an den felsigen Küsten zu 
landen, umgekommen sein, andere starben, nachdem sie 
ans Land gekommen waren. 
Die Bevölkerung sah vom Strande aus, daß vier Boote 
vom Kreuzer ausgesetzt wurden, die an den Felsenklippen 
zerschellten. Es fuhren Schiffe aus, um Hilfe zu leisten, 
fanden aber keine Spur vom Kriegsschiff, noch auch treibende 
Leichen. Die Kapitänsschaluppe wurde leer ans Land gespült. 
Ein Floß und ein aufgeblasener Ring in Form eines 
riesigen Rettungsgürtels wurden ebenfalls angetrieben. 
Zwölf Mann hatten sich daran festgeklammert. Obwohl sie 
sehr erschöpft waren, vermochten einige von ihnen doch noch 
mit flüsternder Stimme mitzuteilen, daß Kitchener an 
Bord des Kriegsschiffes war. Dann fielen die Leute in 
Schlaf. 70 bis 80 Leichen wurden auf den Klippen gefunden, 
einige noch warm. In dem furchtbaren Kampfe mit der 
See waren manchen alle Kleider vom Leibe gerissen worden. 
Dem Stabe Lord K i t ch e n e r s, der ihn auf feiner 
Reise nach Rußland begleitete und der mit ihm in den Wellen 
versank, gehörten an: Oberstleutnant Fitzgerald, der 
persönliche Militärsekretär des Kriegsministers, Brigaden 
general Wellershaw, Leutnant Max Marverson von 
den Highländern, Mr. H. I. O'B irne vom Auswärtigen 
Amt, Sir H. S. D0nalds0n und Mr. Robertson. 
Das Ende des gewalttätigen^ Mannes machte allgemein 
den Eindruck gerechter Vergeltung für ein Leben voll Härte 
und Unbarmherzigkeit. In England hat man den Unter-- 
gang Lord K i t ch e n e r s als einen ber schwersten Schick- 
salsschläge betrachtet, der jemals das britische Reich getroffen 
habe. Lord Kitchener war jedoch lange nicht mehr das, 
was er noch am Ende des Burenkrieges den Engländern 
gewesen ist. 
Am 5. Juli meldete das Wolfffche Bureau, daß ein 
deutsches II-Boot tags zuvor in ber südlichen Nordsee einen 
feindlichen Unterseebootszerstörer versenkt habe, ferner baß 
S. M. Unterseeboot „U 35", das ein Handschreiben Seiner 
Majestät des Kaisers Wilhelms II. an Seine Majestät den 
König von Spanien und Arzneimittel für die in Spanien 
internierten Deutschen aus Kamerun nach Eartagena ge- 
bracht hatte, nach erfolgreicher Lösung seiner Aufgabe zurück- 
gekehrt sei. Das Boot versenkte auf dieser Fahrt unter 
anderem den bewaffneten französischen Dampfer „Herault" 
und erbeutete ein Geschütz. „17 35" traf am 22. Mai morgens 
im Hafen von Eartagena ein. Es hatte 30Mann Besatzung 
und schiffte 30 Kisten Arzneimittel und chirurgische Jnstru- 
mente aus. Das Unterseeboot begrüßte die Stadt mit 
21 Kanonenschüssen. Der spanische Panzerkreuzer „Eataluna" 
und die Küstenbatterien antworteten. 
Eine Tat großer Ritterlichkeit, gepaart mit großer Kühn- 
heit, vollführte am 8. Juli die Besatzung eines Wasserflug- 
zeuges. Diese hatte mit einem feindlichen Flugzeug einen 
heftigen Luftkampf zu bestehen, in dessen Verlauf es dem 
deutschen Flieger gelang, das feindliche Luftzeug zum Nieder- 
gehen auf das Wasser zu zwingen. Trotz aller Gefahren 
ließen sich die Flieger neben dem feindlichen Flugzeug ins 
Wasser und retteten die Besatzung des gegnerischen Flug- 
zeuges, um dann in den schützenden Hasen zurückzukehren. 
Am 11. Juli hatte ein deutsches II-Boot in der Nordsee 
einen englischen Hilfskreuzer von etwa 7000 Tonnen ver- 
nichtet. An demselben Tage wurden an der englischen Ost- 
küste durch II-Bootangriffe drei bewaffnete englische Be- 
wachungsfahrzeuge versenkt. Die Besatzungen derselben 
wurden gefangen genommen und ein Geschütz erbeutet. 
Am 18. Juli früh griffen deutsche Seeflugzeuge die im 
Kriegshafen von Reval liegenden feindlichen Kreuzer, 
Torpedoboote, U-Boote und dortige militärische Anlagen 
mit Bomben an. 
Deutsche Seestreitkräfte konnten somit bis an den Ein- 
gang des Finnischen Meerbusens, wo im Norden die finnische 
Stadt Hangö und südlich die russische Stadt Baltisch Port 
liegt, vordringen, ohne daß sie angegriffen oder auch nur 
geschädigt wurden. 
Am 25. Juli hatte ein deutsches Marineluftschiff die 
Aland s-Jnseln mit Erfolg angegriffen. Diese Inselgruppe, 
die aus 309 verschiedenen großen Eilanden besteht, von 
denen 80 bewohnt sind, war in der letzten Zeit stark in den 
Vordergrund des allgemeinen Interesses gerückt. Die 
Russen hatten dort, entgegen den Vertragsbestimmungen des 
Pariser Friedens von 1856, Befestigungen angelegt, wo- 
durch sich Schweden bedroht fühlte. 
In der Nacht vom 29. zum 30. Juli griffen deutsche 
Torpedoboote russische Streitkräfte, bestehend aus 1 Panzer- 
kreuzer, 1 geschützten Kreuzer und 5 Torpedobootszerstörern, 
die offenbar zur Störung der deutschen Handelsschiffahrt 
entsendet waren, zwischen Haefringe und Lands 0rt 
mit Torpedos an. Nach kurzem Gefecht zogen sich die 
russischen Streitkräfte zurück.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.