Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Die Seekriegsereignisse außerhi 
Bahr gelandeten Truppen Fühlung zu nehmen, was aber 
wegen eines heftigen Angriffes der Türken aufgegeben werden 
mußte. Der Tag verging, nachdem sie sich eingegraben 
hatten, unter fortwährender Abwehr der türkischen Truppen, 
deren Angriffe durch Feldartillerie unterstützt wurden, wo- 
gegen die englisch-französische Flotte den gelandeten Streit- 
kräften keine nennenswerte Hilfe leisten konnte. Die Verluste 
an Offizieren und Mannschaft waren so bedeutend, daß um 
7 Uhr abends nur mehr die Hälfte des schottischen Bataillons 
übrig geblieben war. Auf ein rechtzeitiges Eintreffen von 
Verstärkungen konnte nicht gerechnet werden, und so wurde 
angesichts der außerordentlichen Erschöpfung der Truppen 
der Befehl zur Wiedereinschiffung gegeben, die dank der 
Aufopferung einer aus Schotten bestehenden Nachhut in 
Ordnung von statten ging. An einer anderen nördlicheren 
Landungsstelle waren die „Royal Füsiliers" mit nur geringen 
Verlusten ausgesetzt worden. Diese Streitkräfte wurden 
aber am nächsten Tage von den türkischen Truppen wieder 
auf die Schiffe zurückgeworfen. 
Nach den türkischen Berichten spielten sich die ersten 
Kämpfe bei Kaba Tepe ab. Mit äußerster Erbitterung 
wurde auf beiden Seiten gefochten. Die englisch-französischen 
Angreifer errichteten sofort Schützengräben, die sie hartnäckig 
verteidigten. Vergeblich machten die türkischen Truppen 
Anstrengungen, den Feind ins Innere der Halbinsel zu 
locken. Inzwischen waren die Landungstruppen auch an 
anderen drei Punkten zum Angriff vorgegangen, begegneten 
aber erbittertem Widerstand und konnten nur ganz geringe 
Fortschritte erzielen. i% Bataillone des Gegners konnten 
von den türkischen Truppen sogar ins Meer getrieben werden. 
Die Kämpfe dauerten den ganzen Tag und einen Teil der 
Nacht, bis es gegen Mitternacht den türkischen Truppen 
durch einen schneidig geführten Bajonettangriff gelang, 
den Feind zu vertreiben und den größten Te»l der gegnerischen 
Truppen in die See zu werfen. 
Am 26. April eröffneten die feindlichen Schiffe wieder ein 
heftiges Feuer, das durch Fesselballons geleitet wurde. Im 
Laufe des Vormittags jagten die türkischen Truppen durch 
einen furchtbaren Bajonettangriff den Feind bei Sighin- 
De'ir in die Flucht. Die englisch-französischen Soldaten waren 
derart von Schrecken ergriffen, daß viele ihre eigenen Kamera-- 
den zu Tode traten. Nur einer kleinen Zahl gelang es, die 
Boote wieder zu erreichen. Aber auch bei Kaba Tepe erlitten 
die englisch-französischen Abteilungen eine empfindliche Nieder-- 
läge, indem sie umzingelt und durch das Feuer der türkischen 
Maschinengewehre dezimiert wurden. Ein Teil von ihnen 
stürmte in wilder Flucht zu den Schiffen, während sich 
viele gruppenweise ergaben. Dieser Sieg der Türken war 
umso höher anzuschlagen, als nicht weniger als vier Brigaden 
angegriffen hatten, die durch das Feuer der Schiffe unterstützt 
worden waren. Die türkischen Soldaten kämpften aber mit 
bewundernswerter Ausdauer zwei Tage und zwei Nächte 
hindurch ununterbrochen, ohne die geringste Erschöpfung 
zu zeigen, und so war am Morgen des 27. April ein voll-- 
ständiger Sieg erreicht. Zwar gelang es dem Feinde am 
28! April, noch eine gewisse Anzahl von Truppen im Golfe 
von Saros zu landen und den Kampf aufs neue aufzu-- 
nehmen, aber auch diesmal scheiterte der Landungsversuch 
der englisch-französischen Streitkräfte an der energischen Ab-- 
wehr der Osmanentruppen, die bewiesen, daß die Uberlie- 
ferungen der heldenhaften Tapferkeit im Heere des Sultans 
nicht vergessen sind. Die Verluste, welche die Verbündeten 
erlitten hatten, wurden auf 10— 30000 Mann geschätzt. 
E> der Adria im Jahre 1915. 405 
Außerdem erbeuteten die Türken sehr große Vorräte an 
Kriegsmaterial. 
Am Jahrestag seiner Thronbesteigung erhielt Sultan 
Mohammed V. von General von Liman Sanders 
Pascha die Meldung von dem Triumph über die Angreifer 
der Dardanellen, und der türkische Ministerrat veranlaßte 
den Herrscher, seinem Namen den Titel „Ghasi", d. h. der 
Siegreiche hinzuzufügen. In Konstantinopel aber wurde 
ein frohes, jubelndes Siegesfest gefeiert und so der allge- 
meinen Freude darüber Ausdruck gegeben, daß die Haupt- 
macht der feindlichen Truppen sowohl vom asiatischen Boden 
als auch von der Halbinsel Gallipoli verjagt worden war. 
Am 28. April wurde bei dem kombinierten Angriff der 
Land-- und Seestreitkräfte der Franzosen und Engländer der 
französische Panzerkreuzer „Jeanne d'Arc" (11270 
Tonnen, 2 19 Zentimeter--, 14 15 Zentimeter--Schnellade- 
geschütze) in Brand geschossen. Englischerseits ging das 
Schlachtschiff „Russel" unter. Von der Bemannung des 
„Rüssel" konnten 676 Mann gerettet werden, 124 blieben 
vermißt. Konteradmiral F r e m a n t l e und 22 Offiziere 
des Schlachtschiffes „Rüssel" befanden sich unter den letzteren. 
Mit allen Kranken und an Krankheiten Verstorbenen dm fte 
die Entente einen Verlust von ungefähr 200000 Mann vor den 
Dardanellen erlitten haben, zahlreiche und mächtige Schiffs- 
einheiten ruhen auf dem Meeresgrund, Millionenwerte sind 
verloren gegangen, und das stolze, seebeherrschende Albion, 
das sich rühmte, es müsse Konstantinopel bezwingen, und 
wäre es mit Ketten an den Himmel gebunden, mußte flucht- 
artig den schmalen Küstenstreif räumen, den es in 260 blu- 
tigen Tagen und Nächten nicht um Haaresbreite zu ver- 
größern vermocht hatte. 
Dabei hatte jede Vordreadnoughtschiffsklasse bereits 
eine oder mehrere Einheiten verloren, wodurch die Einheit- 
lichkeit und der Gcfechtswert der betreffenden Klasse ver- 
riugert war. Zehn schwere Einheiten der 58 britischen 
Schlachtschiffe waren versenkt, das bedeutete 17 Prozent, 
während Deutschland nur 1 von 35 oder nicht 3Prozent 
verloren hatte. „Rüssel" war übrigens das dritte 
Admiralsschiff, das verloren ging. 
Der bisherige englische Gesamtverlust an Schiffen im 
Mittelmeer betrug Mai 1915:8 Linienschiffe mit 141150 Ton- 
nen, 6 Panzerkreuzer mit 103 000 Tonnen, ? geschützte 
Kreuzer mit 22 320 Tonnen, 6Torpedobootzerstörer, 
10 Unterseeboote und 5 größere Hilfskreuzer. Die Verluste, 
die England während des Krieges erlitten hat, stellten be- 
reits einen Schiffsraum von 142785 Tonnen bar. Die 
Bundesgenossen zusammen verloren sogar 190 862 Tonnen, 
davon vor den Dardanellen allein 92228 Tonnen. 
Freilich gaben sich die Angreifer noch immer nicht für 
besiegt und versuchten am 4. Mai unter dem Schutze der 
Schiffskanonen bei Ari Burnu einen neuen Angriff. Cs 
gelang ihnen, sich dort einzunisten und mit dem linken 
Flügel vorzugehen. Aber unter schweren Verlusten wurden 
sie zurückgeschlagen und zuerst in die Felsentäler und dann an 
das Ufer gedrängt. Um die schwierige Lage, in der sich diese 
Truppen befanden, etwas auszugleichen, versuchten die 
Verbündeten, unter dem Schutze der Flotte Truppen bei 
Kaba Tepe und südlich von Ari Burnu zu landen. Diese 
Truppen wurden aber sämtlich in ihre Boote zurückgejagt. 
Eine feindliche Abteilung, die sich bei Sedil Bahr verschanzt 
hatte, wurde in der Nacht vom 3. zum 4. Mai von den 
Türken trotz heftigen feindlichen Feuers, das von drei Seiten 
gegen sie eröffnet worden war, aus ihren Verschanzungen
	        
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