Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

402 Seekrieg 
Garden er (dem anscheinend zu geringe Schneidigkeit 
vorgeworfen wurde), durch Vizeadmiral de R o b e ck. Die 
französischen Streitkräfte befehligte Konteradmiral G u 6- 
p r a t t e. Bei den Kämpfen des 18. März, die vom Morgen-- 
grauen bis zur Abenddämmerung währten, hatten die äußeren 
und mittleren Werke der eigentlichen Meerengenbefestigung, 
nämlich die von Namasijö, Kilid-Bahr, Tscha-- 
nak - Kalessi, Sultanijö, Medschidijö und 
M a i d o s, zum erstenmal Gelegenheit mitzuwirken. Die 
inneren Forts griffen auch in diesem Kampf nicht ein. Von 
wesentlicher Bedeutung war, daß den Angreifern auch die 
schon so oft unter Feuer genommenen Befestigungen bei 
Kephes und Dardanos viel zu schaffen machten. 
Wie schwer die Verluste der Angriffsflotte sich bei diesem 
Kampf gestalteten, geht auch aus den amtlichen englischen 
und französischen Berichten hervor. 
Das englische Linienschiff „I r r e s i st i b l e" sank unter 
dem Feuer von Dardanos. Dessen Verluste wurden sogar 
mit 700 Mann angegeben. Das zweite gesunkene Linienschiff 
„O c e a n" trieb bis zum Einbruch der Dunkelheit gegen 
Tenedos zu und ging dann unter, nachdem es von den Mann-- 
schaften größtenteils verlassen worden war. 
Die französische Flotte litt gleichfalls sehr schwer. 
Der „B 0 n v e t"versank nach schweren Artillerietreffern 
infolge einer Minenexplosion innerhalb der Dardanellen, 
während „G a u l 0 i s" wegen schwerer Minenbeschädi-- 
gungen gänzlich außer Gefecht gesetzt wurde. Hiebet ertranken 
120 Mann. 
Sofort nach dem Eintreffen der Nachrichten über den Unter- 
gang des „Bonvet" telegraphierte der Marineminister 
an „Henri IV", der sich an der syrischen Küste befand, 
den Platz des „B 0 u v e t" einzunehmen. Vom englischen 
Torpedojäger, der gesunken ist, wurde niemand gerettet. 
Aus diesen Angaben geht hervor, wie heftig und vor 
allem wie verlustreich die Kämpfe gewesen sein müssen, 
welcher Fehlschlag die englisch-franzöfische Flotte zwang, 
sich nicht nur aus dem Feuerbereich der Meerengenforts und 
der Stellungen bei Dardanos und Kap Kephes 
zurückzuziehen, sondern die Dardanellengewässer vorläufig 
völlig zu verlassen, denn alle Schiffe, die am Kampf teil-- 
genommen hatten, waren mehr oder weniger beschädigt und 
einstweilen kampfunfähig geworden. 
Die enormen Verluste der verbündeten Flotten (stehe 
Tabelle) finden nur in jenen der russischen Flotte bei Tsu- 
s ch i m a ein Seitenstück, bei der im ganzen 8 größere Schiffe 
von zusammen 87364 Tonnen sanken. Vergleichsweise 
prozentual waren aber die Verluste der französischen und 
englischen Flotte noch größer, wie aus der tabellarischen 
Zusammenstellung hervorgeht, welcher das gesamte englisch-- 
französische Schiffsaufgebot — soweit große Einheiten in 
Betracht kommen — entnommen -werden kann. 
Die Gesamtverluste der verbündeten Flotten umfaßten 
demnach 6Schiffe von 87 900 Tonnen als gesunken, 8 Schiffe 
von 120 120 Tonnen außer Gefecht gesetzt, 8 Schiffe von 
64650 Tonnen schwer beschädigt. Das bedeutet in allem 
die Einbuße von 14 großen Panzerschiffen, die teils gesunken, 
teils außer Gefecht gesetzt waren. Vier große und ebensoviele 
kleinere Schiffe sind schwer beschädigt worden. 
Es steht fest, daß die Engländer mit ihren 354 schweren 
Geschützen, worunter sich auch z8 Zentimeter-Rohre der 
„Queen-Elizabeth" befanden, nur einen gering-- 
fügigen Materialschaden erzielten. Im ganzen Gebiete der 
Jnnenforts fielen lediglich u Granatsplitter nieder, die ein 
1915/16. 
kleines Haus beschädigten und das Dach einer Kaserne durch-- 
löcherten. Ein 38 Zentimeter-Geschoß fiel nieder, ohne zu 
explodieren. Dieser Zuckerhut bildet später das Wallfahrts- 
ziel der dienstfreien Mannschaft. Die Fortsbatterien blieben 
unversehrt; kein Mann der Bedienung wurde verwundet. 
Dabei war alle feindliche Zerstörungsarbeit völlig umsonst, 
denn die Osmanen vermochten alle ihre Stellungen sehr 
schnell wieder auszubessern, und auch die schwachen Punkte, 
die sich während der Beschießung zeigten, wesentlich zu ver- 
stärken. Die Außenforts der Meerenge waren in der Zeit 
vom 19. Februar bis 18. März tatsächlich niedergekämpft 
worden und während der ersten Märzhälfte konnten sich die 
feindlichen Schiffe in der nächsten Umgebung dieser Be¬ 
festigungen ganz ungestört bewegen. Doch nur drei Wochen 
nach dem großen Forcierungsversuch waren auch diese 
Vorwerke so weit wieder hergestellt, daß sie sich an der 
Abwehr beteiligen konnten. Die unerwartete Überraschung, 
daß die Wiederherstellung dieser Forts in so kurzer Frist 
gelungen war, dürfte sehr viel zum Beschluß beigetragen 
haben, den Kampf um die Dardanellen vorläufig auf- 
zugeben. Es ist sogar wahrscheinlich, daß die nächsten 
schwachen Angriffe zunächst bloß den Zweck hatten, fest-- 
zustellen, inwieweit es den Türken gelungen sei, die erlittenen 
Schäden auszubessern. 
Ende März waren unter General d' A m e bedeutende 
Truppen mengen, über deren Zahl die Angaben zwischen 
15 000 und 80 000Mann schwanken, vor den Dardanellen 
versammelt worden. Diese fuhren nach dem mißglückten 
Forcierungsversuch wieder nach Ägypten zurück, da der 
französische General einzusehen begann, daß gegen die Dar- 
danellen unter den herrschenden Verhältnissen nichts aus- 
gerichtet werden könne. 
Nach einer am 28. März einlangenden amtlichen Meldung 
ist der Hilfskreuzer „Provence" mit einem Truppen- 
transport nach Saloniki unterwegs im Mittelländischen 
Meere gesunken. Von der 1800 Mann starken Besatzung des 
Dampfers wurden 696 Mann gerettet. 
Der Untergang erfolgte bei klarem Wetter. Der Hilfs- 
krenzer legte sich sofort nach der Backbordseite und sank 
binnen vierzehn Minuten. Über tausend Menschen dürften 
ertrunken sein. Die „P r 0 v e n c e" war einer der größten 
und besten Amerikadampfer der französischen Handelsflotte, 
der nach Kriegsbeginn in einen Hilfskreuzer umgewandelt 
worden war. 
Im französischen Marineministerium wurde später zu- 
gestanden, daß sich an Bord der „P r 0 v e n c e" 4000 Kom- 
battanten befunden hätten, nämlich der Stab des 3. Kolonial- 
infanterieregiments und 4 Bataillone desselben. 296 Über- 
lebende wurden nach Malta und ungefähr 400 nach Milo 
gebracht, die übrigen, also der größte Teil der Besatzung, 
war untergegangen. 
Am 27. März hat ein Geschwader von 15 deutschen Flug- 
zeugen den Hafen von Saloniki und das englisch-französische 
Lager in der Nähe der Stadt bombardiert. Es wurden 
800 Bomben abgeworfen, die großen Schaden anrichteten. 
Am 15. April lief ein türkisches Torpedoboot unter Füh- 
rnng eines deutschen Seeoffiziers aus den Dardanellen aus 
und torpedierte das englische Transportschiff „M a n i t 0 u" 
das jedoch noch eingebracht werden konnte. 
Am 23. April bombardierte das englische Großkampfschiff 
„Ag a me mn on"die bei Bulair befindliche und als Heilig- 
tum verehrte Grabstätte S 0 l i m a n s des Großen, der als 
erster türkischer Fürst die Dardanellen überschritten.
	        
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