Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

266 Der Krieg gegen Italien. 
unterhalb Görz und schützt die Stadt gegen einen Angriff von Soldaten auf einen Esel gebunden und so lange auf dem 
von dieser Seite. Am Fuße, beziehungsweise an den west- Kirchenplatze herumgejagt worden, bis er ohnmächtig wurde, 
lichen Abdachungen des Plateaus liegen die vielgenannten — Auch in Villesse, einem kleinen Orte südwestlich von 
Orte Gradiska, Sdrausfina, Sagrado, Polazzo, Redipuglia, Sagrado, ließ ein italienischer Hauptmann 7 Einwohner, 
Vermegliano, Ronchi, Selz und Monfalcone. Bis Sagrado darunter den Gemeindesekretär P 0 r t e l l i und dessen 
strömt der Jsonzo am Fuße des Hochplateaus hin, bei letzterem Sohn, die beschuldigt waren, eine Kavalleriepatrouille 
Orte aber tritt er ganz in die Ebene ein, während der Höhen- niedergemacht zu haben, ohne gerichtliches Verfahren, ja 
rand sich scharf nach Südosten wendet und beim Schlosse ohne überhaupt die Richtigkeit der Beschuldigung zu prüfen, 
Duino das Meer erreicht. Hier verließ denn auch^unsere Ver- erschießen. Der unglücklichen Frau P 0 r t e l l i, der man 
teidigung das Flußufer und beschränkte sich darauf, das Gatten und Sohn gemordet hatte, wurde verboten, Trauer 
weite Mündungsgebiet des Jsonzo — den sog. Agro Mon- anzulegen. Dies durfte sie erst tun, als sich die Schuldlosigkeit 
falconese — von Ronchi und Monfalcone an unter Wasser aller 7 Erschossenen herausgestellt hatte. Die Haltlosigkeit 
zu setzen, und dem Feinde anfangs ein schier unüberwindliches der Beschuldigung ging schon daraus hervor, daß die Be- 
Hindernis entgegenzustellen, welches unsere Verteidigungs- völkerung sofort nach dem Einmarsch der Italiener entwaffnet 
linie bis zum Meere hin abschloß. worden war, wobei ihr sogar die Messer abgenommen wur- 
* ^ den. — In dem westlich Görz gelegenen Weingelände 
* Brdo ließ die Bevölkerung vielfach den Wein, ihr einziges 
Die Ordre de Bataille unserer 5. Armee war anfangs Vermögen, lieber ausrinnen, als ihn dem welschen Erbfeinde 
Juni 1915 nach dem Eintreffen der zunächst an den Jsonzo iu gönnen. 
bestimmten Truppen folgende: Das XV. Korps hielt mit Bei einem östlich Gradiska gefallenen italienischen Sol- 
der 50.Infanteriedivision die Höhen vom Krn bis Tolmein, baten der 4. Kompagnie des Infanterieregimentes Nr. 29 
mit der 1. Infanteriedivision den Brückenkopf von Tolmein. Mateo Attimonelli wurde ein Tagebuch gefunden, dem 
Südlich der Jbria schloß das XVI. Korps an, mit der folgende für das Verhalten der Italiener bezeichnende Schil- 
18. Infanteriedivision im Räume C^nale—Plava, der 58. derung in wortgetreuer Übersetzung entnommen ist: 
im Görzer Brückenkopf. Das Plateau von Doberdo war „Vom Augenblicke, wo wir das Triester Land betreten 
von der selbständigen 57. Infanteriedivision, die südöstlich haben, wie viele und wie viele Orte haben wir passiert, wo wir 
anschließende Küstenstrecke bis Parenzo von der 94.besetzt, keinen Zivilisten vorfanden. Alle waren geflohen, hatten 
Als Armeereserve diente die 48. und 93.Infanteriedivision ihre Häuser, ihren Besitz, ihre Möbel, ihr Land verlassen ... 
um Reifenberg. Sobald wir in einen solchen Ort kamen, fanden wir alles 
* * verlassen und die Häuser alle verwüstet. Verwüstet von uns. 
* Zwar konnte niemand von uns diese Sachen mitnehmen, 
Die italienischen Truppen gingen nach der Kriegserklärung weil man oftmals die eigenen Sachen wegwarf. Aber in der 
sofort gegen unsere ganze Linie Karfreit—Tolmein—Görz— Hoffnung, einiges Geld oder irgendwelche Juwelen zu finden, 
Monfalcone vor. Das Auswaggonieren der auf dem Bahn- machte man nichts anderes, als alle diese versperrten Kästen, 
Hofe Cormons einlangenden Streitkräfte ging nicht ohne wie auch Schreibtische und Schränke zu öffnen. Alle Kleider 
Störung vor sich. Unser Artilleriekommandant in Görz, wurden herausgezogen und nicht mehr zurückgelegt. Man 
Obstlt. Richard v. Körner, schob unter Deckung ließ sie draußen auf der Erde hingeworfen und trat ohne 
von Infanterie einen schweren Mörser nach Lucinico am Mitleid auf ihnen herum. Wir kamen dann in die Stadt 
Südfuße der Podgorahöhen vor und beschoß den Bahnhof. Gradiska, eine schöne, herrliche Stadt, mit großen Palästen... 
35 Offiziere und zahlreiche Mannschaften wurden durch die Hier sah man nun in den Häusern Kleider aufdie Erdeherum- 
riesigen Skodagranaten zermalmt. geworfen, Wäsche, Hausgeräte, Verzierungen von den Fen- 
Im übrigen war das Einrücken in die vor unserer Front stern und Balkonen in den Küchen ... Alle Häuser hatten 
gelegenen Ortschaften nicht schwer, was die Italiener aller- Zimmer voll von Gegenständen aus Gußeisen, aus Kupfer, 
dings nicht hinderte, jede dieser Besetzungen der staunenden geschliffenem Glas und Porzellan, was alles hier reichlich 
Welt als eine glorreiche Eroberung zu schildern und die Lands- vorHanl en war, weil hier, oder besser gesagt, im nahen 
leute in der cara patria mit der Versicherung zu beglücken, Triest, große Fabriken für diese Gegenstände existieren. Als 
daß nun schon weite Landstriche und Tausende von unglück- wir in tiefe Häuser eintraten, waren wir ganz außer uns, 
lichen Brüdern vom Joche der österreichischen Barbaren erlöst solche Geräte zu sehen. Es tat uns leid. Mitnehmen 
seien. Die Erlösten wollten freilich ihr Glück nicht immer konnten wir nichts. Wir konnten nichts anderes tun, als 
gleich begreifen und erwiesen sich manchmal sogar recht störrisch die Taschen und oft auch die Tornister mit solchen Hemden 
gegen ihre Befreier. Ein Korrespondent des Secolo berichtete: und Hosen auz füllen, welche bei uns zu Hause (d. h. in 
„Zu Cormons, Gradiska, Grado, Karfreit und auch ander- Apulien) Brautausstattungswäsche gewesen wären. Man 
wärts hat die Bevölkerung den befreienden Truppen nicht muß aber noch in Betracht ziehen, daß vor uns andere 
jene Aufnahme bereitet, welche man hoffen und wünschen Abteilungen, auch Bersaglieri, durchgezogen waren, welche 
durfte. Wenn man einmal ungehindert schreiben dürfen die ersten Angriffe gemacht hatten, und wirklich gute Sachen 
wird, wird man die Schwierigkeiten kennen lernen, welche gef. nden hatten. 
zu überwinden waren, sowie die Erschießungen, welche vor- Es kam an den Tag, daß man in Gradiska eine Panzer- 
kamen. Die österreichische Herrschaft in diesen Ländern hatte kasse erbrochen und das Geld geraubt hatte. Man revidierte 
feste Wurzeln geschlagen. Auch zu Monfalcone hat man die Tornister aller Soldaten, welche die Stadt passiert hatten 
zu Zwangsmitteln greifen müssen." — In der Tat wurde und fand 500000 Lire. Andere fanden 12000 Lire aus 
in dieser Stadt der Pfarrer Kren, Furlaner von Geburt, einer anderen Kasse. Alle diese Soldaten und auch ein Offizier, 
als Spion erschossen, weil er angeblich auf dem Kirchenboden bei denen man das Geld gefunden hatte, kamen in gericht- 
ein Geheimtelephon etabliert haben sollte. Vorher war er liche Untersuchung."
	        
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