Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Die Schlachten am Jsonzo. 
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denen wieder 281 Alpini gefangen und 5 Maschinengewehre 
erbeutet wurden. 
Im März 1916 war auch der Abschnitt in der Plöcken- 
gegend der Schauplatz lebhafter Kämpfe. Da wo der Kleine 
Pal seine bedeutendste Höhe erreicht, teilt er sich in zwei 
steile, parallel zueinander verlaufende scharfe Grate, zwischen 
welchen eine tiefe felsige Einsattelung liegt. Den einen dieser 
Grate hatten die Italiener behalten; keine 100 Meter trennten 
dort ihre G.äben von den unsrigen. In der Nacht vom 21. 
zum 22. März wurden sie überfallen. Diesen Überfall schildert 
der italienische Kriegskorrespondent Lnigi Bariini im 
„Corriere della Sera" folgendermaßen: 
„So viel Schnee war gefallen, daß die eigentlichen Lauf-- 
grüben darunter begraben waren. Man erreichte sie nur 
noch auf dem Wege durch tief unter der hermelingleichen 
Oberfläche verborgene Schluchten, auf marmorweißen Eis- 
stufen, auf phantastischen Galerien voll bläulicher Schatten 
und opalisierender Reflexe. Aber der Schnee ist trügerisch. 
Cr ist gar zu weich und mehlig, um die Tätigkeit zu begünstigen. 
Selbst mit Schneereifen und Skiern sinkt man ein. Wie 
hätten da die Österreicher angreifen können?! Wenn sie uns 
hätten überfallen wollen, so wären sie in dem Schnee einge-- 
sunken. Wenn sie sacht, ganz sacht, in ihren weißen Schnee- 
Hemden herangekrochen wären, wir hätten ihr Herannahen 
doch auf dem weißen Tuche wahrgenommen, das selbst in 
der dunkelsten Nacht die unsichtbaren Strahlen des Mondes 
in sich aufgesogen zu haben scheint. Unsere Posten wachten 
und haben nichts gemerkt. Es hat sich auch nichts bei ihnen 
gerührt. Und doch war der Feind da, fiel schon über sie 
her ... Aus dem Boden war er gewachsen ... Tage und 
Tage hatten sie gearbeitet und geschaufelt, hatten unterirdische 
Galerien ins Eis gehauen, sich Minenschachte im Gletschereis 
geschassen. Die überaus heftige Beschießung, die drei Tage 
hindurch, vom 19. März früh bis zum 21. März abends, 
unsere Stellungen mit ihrem Feuerregen überschwemmt 
hatte, hätte das unterirdische Hämmern in Eis und Schnee 
übertönen sollen. Ein wildes Handgemenge, Mann gegen 
Mann, Schreie der Angst, vereinzelte Schüsse und der Lauft 
graben war im Besitze des Feindes. Immer mehr Oster- 
reicher ergossen sich aus den Schachten, lauter Kärntner 
Freiwillige. Eine Kompagnie Jäger drängte ihnen als 
Verstärkung nach. Und sofort nahm der Feind die Anlage 
von Zugangsgräben in Arbeit, da die Eisgalerien nunmehr 
überflüssig waren. Ein ungarisches Bataillon rückte an. 
Die feindliche Eroberung griff um sich, erweiterte und ver- 
stärkte sich. Der Gipfel des Kleinen Pal wurde zu einem 
fürchterlich dräuenden, schier unzugänglichen Bollwerke des 
Feindes umgeschaffen." 
Auch hier wurden alle Wiedergewinnungsversuche unter 
großen Verlusten abgewiesen. Vor der Front des braven 
kärntnerischen Jägerbataillons Nr. 8 lagen allein mehr als 
500 tote Italiener. 
Im April und Mai 1916 gab es an der Kärntner Front 
zumeist nur Geschützkämpfe von wechselnder Intensität. 
Bloß am Rombon vertrieben unsere Truppen am 4. Mai 
den Feind nach kräftiger Artillerievorbereitung aus mehreren 
Stellungen, nahmen über 100 Alpini, darunter z Offiziere 
gefangen und erbeuteten 2 Maschinengewehre. Ein feind¬ 
licher Versuch, sich am 5. Mai wieder in den Besitz der ver- 
lorenen Stellungen zu setzen, wurde abgewiesen. — Die 
Italiener ihrerseits gingen erst in der zweiten Hälfte Juni 
mit stärkeren Kräften gegen unsere Positionen an, diesmal 
im Plöckengebiete. Nachdem sie vom 20. Juni an ihr Ge- 
schützfeuer aufs höchste gesteigert hatten, griffen sie am 
2z. unsere Stellungen am Zahner Joch und am Kleinen 
Pal, am 27. den Freikofel und den Großen Pal, am 29. 
wieder diese beiden Punkte und außerdem den Kleinen Pal 
an. Alle Angriffe wurden abgeschlagen. Am heftigsten waren 
die Kämpfe am 27. Das feindliche Artilleriefeuer hatte 
einen Teil unserer Hindernisanlagen zerstört und Teile 
der Stellungen im wahrsten Sinne des Wortes umgepflügt. 
Um 10 Uhr vormittags setzte der Gegner mit ungefähr 
6 Kompagnien gegen den Freikofel und mit wahrscheinlich 
gleich starken Kräften gegen den Großen Pal zum Angriff an. 
Trotz unserem heftigen Infanterie- und Maschinengewehr-- 
feuer gelang es dem Feinde, in jene Stellungen, welche 
durch die Artillerie dem Erdboden gleichgemacht waren, ein- 
zubringen. Am Großen Pal führten unsere Reserven den 
Gegenstoß, der alle Stellungen restlos vom Feinde säuberte. 
Singend stürmten unsere Soldaten vor und kämpften bis 
beinahe 12 Uhr mittags Mann gegen Mann. Bis zum Abend 
wurde hier vom Gegner kein Angriff mehr unternommen, 
nur intensives Artilleriefeuer hinderte bis zum Einbruch der 
Dunkelheit das Ausbessern der in Trümmern liegenden Stel- 
lung. Am Freikofel wurde der eingedrungene Feind sofort 
im erbitterten Handgemenge hinausgeworfen, setzte aber um 
^ Uhr einen neuen Angriff an, dem um 12 Uhr mittags 
noch ein dritter mit frischen Kräften folgte. Um Uhr 
nachmittags war auch dieser abgeschlagen. Vor dem Frei- 
kofel lagen 200 tote Italiener. Bis zum nächsten Vormittag 
wurden die durch das Geschützfeuer angerichteten Schäden 
ausgebessert und die Stellungen wieder hergerichtet. In 
diesen Kämpfen haben sich Abteilungen des kärtnerischen 
Infanterieregiments Khevenhüller Nr. 7 und des galizischen 
Infanterieregiments Coburg Nr. 57 besonders hervorgetan. 
Wie am Plöcken im Juni scheiterten im Juli die Versuche 
italienischer Abteilungen, im Fella- und Raiblerabschnitte 
vorzudringen. Alle ihre Anstrengungen blieben verxebens. 
Als der Armeekommandant General Rohr im August 
eine andere Dienstesbestimmung erhielt, konnte er sich von 
seinen braven Truppen mit den Worten verabschieden: „Wir 
stehen genau in derselben Linie, wo wir vor fünfzehn Mo- 
naten, am Anfang des Krieges standen; und wo das nicht 
so ist, dort sind wir vorwärts gegangen." 
Die Schlachten am Jsonzo. 
(Bis zur Räumung von Görz.) 
Von den österreichischen Grenzgebieten gegen Italien 
bietet jenes im Küstenlande der Verteidigung die geringsten 
Vorteile. Die Grenzlinie läuft westlich des mittleren Jsonzo 
in unbeträchtlichem Abstände vom Flusse auf den 6—800 
Meter nicht übersteigenden Höhenkämmen, die sich somit 
nicht in unserem ausschließlichen Besitze befanden, und tritt 
später ganz in die Ebene ein. Der Feind aber ist in der Lage, 
an dieser Front, ungehindert durch hohe Gebirge, mehrere 
große Heereskörper gleichzeitig zum Angriffe anzusetzen. 
Unter diesen Umständen konnte unsere erste Verteidigungs- 
linie im Küstenlande nur das Ostufer des Jsonzo mit seinen 
zum Teil sehr bedeutenden Erhebungen bilden, auf welchen
	        
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