Der Krieg gegen Italien.
Jnnsbrncker Standschützen.
Um aber seiner Verpflichtung ;ur Verteidigung des eigenen
Landes nachkommen zu können, mußte das Volk von Tirol
wehr- und waffengeübt erhalten werden. Ohne besondere
formelle Vorschriften wurde dies erreicht. Die alten Gerichte
waren die Territorien der einzelnen Regimenter und so
haben sie sich bis heute erhalten. Das Sonnenburger--
(Innsbrucker), Rattenberger-- (Hall—Schwaz) Regiment und
andere zeigen dies an. Fast jedes Dorf hatte seine Kom-
pagnie mit ihren freigewählten Führern. Wer die Geschichte
des Tirolerkrieges von 1809 kennt, dem wird es nicht ent--
gangen sein, daß unter den Führern auffallend viele Wirte
waren. Die Erklärung ist einfach. Der Wirt eines Dorfes,
zumeist auch einer der größten Besitzer, hat in Tirol eine
hervorragende Ansehensstellung, genießt das Vertrauen und
wird auch demgemäß meist zu einem Leiter, Führer und
Berater des Dorfes.
Die neuere Zeit mußte begreiflicherweise mit einem
solchen Ausnahmsprivileg, wie es Tirol in seiner Wehrord-
nnug besaß, aufräumen. Tirols Volk wurde zum Wehrdienst
in der Armee wie die andern Länder herangezogen, erhielt
auch seine spezielle Landwehr, die Landesschützen. Die
Waffenfreudigkeit aber verblieb und die alten Lieblings--
beschäftigungen des Volkes hielten sich aufrecht. Fast jedes
Dorf, fast jede Gemeinde Tirols hat ihren k. k. Gemeinde-
schießstand, die Bezirke und Täler ihre Hauptschießstände
und das Land seinen Landeshauptschießstand. Und da
wurde oben alle Sonntage fleißig geschossen und so gingen
aus Tirol eben die zahlreichen Meisterschützen hervor, die
sich auf den großen Schießveranstaltungen so viele Preise
und Auszeichnungen holten. Wo ein Schießstand besteht,
da ist wohl selten einer zu finden, der dem Schießstand nicht
angehört und sich von der Standschützenkompagnie fernehält.
Der Tiroler Bub lernt früh schon mit Pulver und Blei
und sowie er die Schule hinter sich hat und sich
Schießstand eintragen lassen darf, tut er es. Das
)0N im Blute. Und so war für Nachwuchs immer
durch die alte Waffenfreudigkeit. Als die Jahre
1848, 1859 und 1866 die Tiroler Landstürmer an die Süd--
grenze riefen, haben sich die Schützenkompagnien manchen
Lorbeer geholt und aus diesen Kriegserinnerungen quillt
das Bewußtsein, daß der welsche Feind nimmer imstande
wird, die Felsenfestung Tirol einzunehmen.
Im Jahre 191z wurde das Schießstandwesen in Tirol
und Vorarlberg auch gesetzlich geregelt und sichergestellt.
Danach können überall durch Vereinigung von mindestens
20 beitrittsberechtigten Personen desselben Ortes oder beuach-
barter Orte Schießstände gebildet werden. Zum Beitritt ist
jeder Tiroler und Vorarlberger berechtigt, der das 17. Lebens--
jähr vollendet hat und die zum Schießen erforderliche
geistige und körperliche Eignung besitzt. Jedes Mitglied ist
verpflichtet, jährlich an wenigstens vier Schießübungen teil-
zunehmen und dabei mindestens je 60 Schüsse nach einem
bestimmten Schießprogramm abzugeben. Eine besondere
Aufgabe der Schießstände ist die Ausbildung der Jung--
im militärischen Schießdienste mit dem Armee--
Zu diesem Zwecke werden die Schießstände mit
Armeegewehren und zum Selbstkostenpreis mit Armee--
munition ausgestattet. Staat, Land und Gemeinden unter-
stützen sie durch Beihilfen und Preisstiftungen. Ihre Vor-
gesetzten, Kommandanten, Offiziere und Unteroffiziere wählen
die Standschützen selbst durch Stimmzettel oder Zuruf.
Die Wahlen müssen durch den Landesoberschützenmeister,
der mit der Person des Landeshauptmannes identisch ist,
bestätigt werden. Bei Kriegsausbruch werden die noch
reserve- oder landwehrpflichtigen Standschützen bei ihrem
Truppenkörper eingeteilt, die landsturmpflichtigen dagegen
bilden eigene Bataillone und Kompagnien von verschiedener
Stärke und Zusammensetzung. Auch diese wählen ihre Vor-
gesetzten selber und zwar die Mannschaften eines Zuges
ihren Zugsführer, die Zugsführer einer Kompagnie ihren
Hauptmann, die Hauptleute des Bataillons den Major.
Diese Wahlen überprüft die Militärbehörde und bestätigt
der Kaiser. Die Offiziere haben während der Kriegsdauer
den Charakter von Landsturmoffizieren, tragen die Distink-
tionen und beziehen entsprechende Gebühren.
Der große Wert der Standschützen als Ergänzung des
Heeres beruht hauptsächlich in der Schießfertigkeit, welche
gerade diese Truppe aufweisen kann. Fast jede Kompagnie
hat einzelne ganz hervorragend treffsichere Männer und in
der Liste der an der Front stehenden Standschützen werden
die Namen der bekannten Meisterschützen, die eine Wette
eingehen könnten, jeden Schuß ins Schwarze zu bringen, so
ziemlich alle zu finden sein. Aber auch in den Reihen der
Jungschützen fehlt die Treffsicherheit und Waffengewandtheit
nicht. Und gerade die Mitwirkung der Jungschützen ist von
besonderer Bedeutung. Nicht allein für das große Ganze,
sondern auch für das Volk und feine Zukunft. Dieses Bekannt-
werden mit dem Ernst des Lebens ist eine Lebensschule, wie
sie ernster und besser kaum gedacht werden kann. Vor Kriegs¬