Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

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Feldzug gegen Rußland. 
der Moldawa russische Abteilungen zersprengt. Die russischen 
Vorstöße wiederholten sich mit gleichem Effekt noch einigemale 
in Pausen von 2—4 Tagen. Bei Luczina, wo das Radautzer 
k. k. Staatsgestüt in Friedenszeiten eines der schönsten Fohlen- 
Höfe besitzt, sowie bei der etwas nördlicher gelegenen Ort- 
schaft Frassin werden am 16., 20. und 21. Juli heftige Vor- 
stöße im Handgemenge abgewiesen. Auf der Höhe des Capul 
und im Waldgebiet nördlich des Prislopsattels treten beider-- 
seits Nachrichtenabteilungen und Streifkommandos in Füh¬ 
lung und bald auch ins Gefecht, wobei sich die individuelle 
Überlegenheit unseres Soldaten gegenüber dem schwerfälligen 
Russen im vorteilhaftesten Lichte zeigt. Am 20. Juui sind nach 
mehrfachen Kämpfen die Höhen nördlich des Prislop ge¬ 
säubert, und am 26. gelang es uns, den Czarny Czeremosz 
zu überschreiten und sogar einige Höhen am anderen Ufer 
in Besitz zu nehmen. 
Kämpfe in Südgalizien Ende Juni und im Juli. 
Wie bereits früher erwähnt, waren die Russen Mitte Juni 
in der Linie Niejwiska—Cerniawa stehen geblieben, und erst 
gegen Ende des Monates nahmen die ergänzten und neu- 
gekräftigten feindlichen Heeresmassen ihre Offensive südlich 
des Dnjester wieder auf. Warum sie hier solange stehen- 
geblieben waren, während sie in der Bukowina unentwegt 
weiter bis an die Karpathen vorrückten, findet an der Ver- 
schiedenartigkeit des Kampfterrains ihre Erklärung. In der 
Bukowina setzen die bald beginnenden Ausläufer der Kar- 
pathen der Kampftätigkeit großer Massen sehr bald ein Ziel. 
Hier aber ist das Terrain, insbesondere zur Sommerzeit, 
überallhin für alle Waffengattungen gangbar und ladet in 
dem nach Westen hin sich immer mehr verbreiternden Flach- 
lande zur Verwendung großer Truppenmassen förmlich ein. 
Kein geeigneteres Terrain für Brufsilows Massen- 
taktik konnte gefunden werden, wie dieses galizische Hügel- 
und Wellenland zu regenloser Zeit. 
Im südlichen Teil Galiziens — zwischen dem Pruth und 
dem Czeremosz, wo die Ausläufer der Karpathen, gerade so 
wie in der Bukowina die Verwendung großer Massen aus- 
schlössen, setzten die Russen ihre Vorrückung, wenn auch lang- 
samer als wie in der Bukowina, fort. Erst am 10. Juli ge- 
langten sie vor Zabie, wo wir in vorbereiteter Stellung ihren 
Angriff erwarteten. Hier sowie weiter südlich beim Orte 
Jablonica spielten sich eine Zeitlang kleine Gefechte ab und wir 
vermochten noch bis zum 20. Juni dem Feinde Widerstand zu 
leisten, ihm öfters auch Gefangene abzunehmen, dann aber, 
um im Einklänge mit den in der Bukowina stehenden Trup- 
pen zu bleiben, zogen wir uns auf den Hauptkamm der 
Karpathen zurück. Starke Kämpfe fanden weiter nördlich 
bei Tatarow in der Zeit vom 16.—29. Juli statt. 
Unsere nunmehr erreichte Stellung auf dem Kamme der 
Karpathen hielten wir, hier wie in der Bukowina allen An- 
griffen zum Trotze, im weiteren Verlaufe des Krieges fest. 
Dies die Kämpfe im Gebirge. Ein anderes Bild zeigen 
die Begebenheiten im Flachlande. 
In 40 Kilometer breiter Front rückte am 28. Juni die 
russische Jnfanteriemasse (300000 Mann) im Pruthtale 
auf Kolomea vor. Unsere Armee mußte in erbitterten, 
wechselvollen Kämpfen, wobei der Feind an mehreren 
Stellen im Handgemenge abgewehrt wurde, der Übermacht 
'weichen. Nach dem bis gegen Abend andauernden, mit 
großer Erbitterung geführten Kampfe wurden unsere stark 
gelichteten Reihen, da ^unsere tapferen Kämpfer total er¬ 
schöpft waren, zurückgenommen. Der Feind rückte am 
29. Juni in Kolomea ein. 
Am 2. Juli bildete die Gegend westlich von Kolomea den 
Schauplatz eines schweren Kampfes, der bis gegen Mittag 
andauerte. Die dort angreifende russische Brigade wurde durch 
unsere trefflich schießende Artillerie zum fluchtartigen Zurück- 
gehen gezwungen. Gegen Abend griff mit großer Hart- 
näckigkeit der Feind südlich des Ortes Sadzawka mit frische» 
Kräften wieder an und wurde nochmals geworfen. Erst am 
5. Juli gingen wir auf kaum zooo Schritte zurück. Den 6. Juli 
versuchen die Russen einen Flußübergang über den Pruth, 
was durch unsere, heldenhaften Widerstand leistenden, alpen- 
ländischen Schützenregimenter vereitelt wurde. Am 8. Juli 
hat der Feind die Eisenbahnlinie bei Mikulyczin, am 14. Juli 
die Gegend von Delatya erreicht. Wir zogen uns auch hier 
auf den Karpathenkamm zurück, wo wir im weiteren Ver- 
laufe der Kämpfe dem Vorschreiten der Russen ein Ziel setzten. 
Weiter nördlich von Kolomea kamen die Russen^über die 
Linie Ottynia—Tlumacz den ganzen Monat Juli "und bis 
7. August nicht hinaus, welche Stellung wir, nach bei Obertyn 
am 28. Juni und 29. stattgefundenen heftigen Kämpfen, 
erreichten. Am 30.Juni führten die Russen südöstlich von 
Tlumacz mit einer 3 Kilometer breiten und 6 Glieder tiefen 
Reitermasse eine Attacke aus, die im Feuer unserer in 
Stellung befindlichen Truppen zusammenbrach. 
Im Werke „Der Krieg" 1914/16 wird eine dort am 1. Juli 
stattgefundene Attacke wie folgt geschildert: Alles war ruhig, 
unsere Mannschaft arbeitete an den Hindernissen vor unserer 
Front, als um 5.15 Uhr nachmittags die Feldwachen bei den 
Waldparzellen südöstlich unserer Stellung das Auflaufen 
einiger Reiter im Walde meldeten. Kurz darauf hörte man ein 
kleines Gewehrgeplänkel, etwas später auch Schrapnell- und 
Maschinengewehrfeuer, welches unsere Artillerie erwiderte. 
Eine gelbe Staubmasse, die sich immer mehr ausbreitete und 
in der Richtung, wo ein k. u. k. Jnfanteriebataillon stand, sich 
näherte, ließ erkennen, daß es sich um einen Reiterangriff 
handle. Die mächtige Staubwolke ballt sich auf und wird von 
Sekunde zu Sekunde breiter und dicker. Der gegen unsere Stel- 
lung abfallende Hang bildet auf dem halben Wege zwischen 
den gennannten Waldparzellen und unseren noch nicht fertige 
Deckungen eine mannshohe Geländestufe. Dort stauten sich 
die feindlichen Reitermassen, und dorthin hatten wir unser 
Maschinengewehrfeuer gerichtet, welches unter den in Knäuel 
hinunterkollernden Haufen von Roß und Reiter furchtbare 
Verheerungen anrichtete. In wahnsinniger Flucht suchten 
sich die Überlebenten zu retten. 
Die Julikämpfe in Galizien (nördlich des Dnjester). 
Die Armee GO. Graf Bothmer. 
Trotz der im Monate Juni und in der ersten Hälfte Juli 
mit großer Heftigkeit unternommenen russischen Angriffe, blieb 
der größte Teil der Front an der Strypa fest und nur der 
rechte Flügel mußte infolge Vorrückens der Russen entlang 
des Dnjester hinter den Koropiecbach zurückgenommen werden, 
was nicht ohne heftige Kämpfe geschah. Bei Barysz wurde 
der Feind am 4. Juli nach heftigem Kampf aus unseren 
Gräben, in denen er eingedrungen war, wieder hinausgewor- 
fen. Am 21. Juli vertrieb ein Jagdkommando der Honvöd- 
truppe einen russischen mit einem Maschinengewehr aus- 
gerüsteten Hauptposten aus seiner Stellung vor diesem Orte. 
Am äußersten linken Flügel der Armee Bothmer, 
nordwestlich Tarnopol entspannen sich wechselvolle Kämpfe
	        
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