Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

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Feldzug gegen Rußland. 
Regimenter über Mokrzyce einen Gegenstoß, 
mit dem sie dem Gegner jenen Geländestreifen bei B l i z; 
viki entrissen, den er am 20. März besetzt hatte, wobei 
sie 1300 Mann und 15 Offiziere zu Gefangenen machten. 
Auch bei P 0 st a w y entzündeten sich an diesem Tage 
neue Kämpfe. Frische Opferherden wurden hier gegen die 
deutschen Linien getrieben. Aber Wileity blieb un; 
bezwingbar. „In tapferer Ausdauer trotzten dort Truppen 
desSaarbrückerKorps allen Anstürmen des Feindes. 
Vor den an ihrer Seite kämpfenden Brandenburgern, 
Hannoveranern und Hallensern zerschellte ein 
in vielen Wellen vorgetragener Angriff zweier russischer 
Divisionen unter schwerster Einbuße des Gegners." (Bericht 
der deutschen Obersten Heeresleitung.) 
Und jene Truppen, die nachts noch den verlorenen 
Streifen östlich Mokrzyce zurückerobern sollten, ver; 
mochten es nicht. Auch nicht am folgenden Tage! Sieben; 
mal stürmten sie an und wurden stets zurückgeworfen. Oft 
im erbittersten Einzelringen; Bajonett, Kolben, Handgranate 
und Jufanteriespaten wurden -auf beiden Seiten gebraucht. 
Auch die Massenangriffe der russischen 45. Division 
und der 2. si b i r i sch e n S ch ü tz e n d i v i si 0 n südbst* 
Jich Muljarshe waren ein Mißerfolg und vorläufig der 
letzte Versuch der russischen Offensive. 
Wie zum Abschluß warfen deutsche Flugzeuggeschwader 
Bomben auf verschiedene Bahnstrecken und den Bahnhof 
«on M 0 l 0 d e c z n 0. 
Der 29. März brachte nur Geschützkämpfe an der 
ganzen Front. 
Und am 1. A p r i l berichtete die deutsche Oberste Heeres-- 
leitung: „Hienach scheint es, als ob sich der 
russische Ansturm zunächst erschöpft hat, 
der mit 30 Divisionen gleich über 500 000 
Mann und einem für örtliche Verhältnise 
erstaunlichen Aufwand an Munition in 
der Zeit vom 1. bis 28. März gegen ausge; 
dehnte Abschnitte der Heeresgruppe des 
GFM. v. Hindenbnrg vorgetrieben worden 
ist. Er hat dank der Tapferkeit und zähen 
Ausdauer unserer Truppen keinerlei Er-- 
folg erzielt." Die eigentlichen Offensivstöße hatten 
überhaupt nur 14 Tage gedauert. Aber schon nach dem 
26. März hatte die Ententepresse versucht, die russische Offen; 
sive als „Störung feindlicher Angriffsgelüste" darzustellen. 
Dann schob man die Schuld an den Mißerfolgen dem 
Tauwetter zu, schilderte das morastige Angriffsgelände, 
in dem sich Mannschaft und Geschütze nur schwer und unter 
ungeheurer Mühe vorarbeiten konnten. 
„Freilich ist es für jeden Kenner der Verhältnisse er-- 
staunlich, daß ein solches Unternehmen zu einer Jahreszeit 
begonnen wurde, in der seiner Durchführung von einem 
Tage zum anderen durch die Schneeschmelze bedenkliche 
Schwierigkeiten erwachsen konnten. Die Wahl des Zeit-- 
Punktes ist daher wohl weniger dem freien Willen der 
russischen Führung als dem Zwang durch einen 
notleidendenVerbündeten zuzuschreiben. Wenn 
nunmehr die gegenwärtige Einstellung der Angriffe von 
amtlicher russischer Stelle lediglich mit dem Witterungs; 
Umschlag erklärt wird, so ist das sicherlich nur die halbe 
Wahrheit. Mindestens so wie der aufgeweichte Boden 
sind die Verluste an dem schweren Rückschläge beteiligt. 
Sie werden nach vorsichtiger Schätzung auf mindestens 
140000 Mann berechnet. Richtiger würde die feindliche 
Heeresleitung daher sagen, daß die „große" Offensive bisher 
nicht nur im Sumpf, sondern in Sumpf und Blut erstickt 
ist." (Bericht der deutschen Obersten Heeresleitung.) 
Zu all dem Mißerfolg ward den Russen die drückende 
Erkenntnis, daß ihre ungeheuren Opfer die französische 
Front nickt viel entlastet hatten. Wohl war diese Offen- 
sive geplant gewesen, aber daß die Angriffe der Deutschen 
im Westen und Frankreichs Hilferufe ihren vorzeitigen Beginn 
erzwungen halten, das war ihr zum Verhängnis geworden. 
„Kein russischer General," schrieb ein amerikanischer 
Kriegsberichterstatter, „würde derartige selbstmörderische An-- 
griffe zu dieser ungelegenen Zeit befohlen haben, wenn nicht 
aus Gründen der bundesgenössischen Politik. Seine Soldaten 
über eine halbe Meile lang durch Sumpfgelände gegen Ar-- 
tillerie; und Mafchinengewehrfeuer zu treiben, das war nicht 
viel anders als Mord. Vor sechs Wochen noch war das Ge-- 
lände gefroren, und der Angriff wäre weniger todbringend 
gewesen, und in sechs Wochen wird die Frühlingssonne diese 
Gefilde wieder getrocknet haben. Aber jetzt hat das Tau; 
wetter das ganze Land in einen Sumpf verwandelt, aus 
dem das Wasser nicht absickern kann, weil der Bolen noch 
zwei Fuß unter der Oberfläche gefroren ist. Offenbar fehlen 
ihnen auch fähige Offiziere, denn die russischen Truppen, 
die bis in die deutschen Linien gelangten, standen dort rat; 
los und wußten nicht, was sie anfangen sollten. Die Tapfer-- 
keit dieser russischen Soldaten und ihr persönlicher Mut 
stehen außer Frage, aber alles war vergeudet. Niemals 
wurden die Angriffe von Reserven unterstützt. Die Truppen 
waren offenbar junge, schlecht ausgebildete Leute, die Offi'-- 
ziere zum Teil junge Studenten, die nur einen Monat 
Übung hinter sich hatten. So war es kein Winter, daß 
die Regimenter dahinschwanden unter lern Höllenfeuer 
der deutschen Geschütze und Maschinengewehre. Mit Muni; 
tion schienen die Russen reichlich versehen zu sein. Die meiste» 
russischen Truppen, die zu dieser Offensive verwandt wurden, 
schienen neue Truppen mit neuen Uniformen zu sein, aber 
es fehlte ihnen eben gänzlich die Ausbildung. Die Blüte 
der russischen Armee ist eben schon lange dahingegangen, 
und von einer Armee von 6% Millionen, womit sie den 
Krieg begonnen haben sollen, glaubt man, laß kaum 
750 ovo Mann übrig geblieben sind. Diese Schlacht ist von 
anderer Art als jene Siege, die Hindenburg siüher 
über die Russen davongetragen hat. Diesmal blieben seine 
Soldaten einfach in ihren eigenen Linien und mähten von 
hier den heranstürmenden Feind nieder, bis ein ganzer Kirch; 
Hof mit Blut und Eisen aus dem Sumpfe geworden war, 
der sich wohl Ivo Meilen lang vor ihnen ausdehnt." 
Kämpfe im April nördlich der Beresina. 
Schon zu Beginn April verstärkte sich das Atilleriefeuer in 
der Seenenge zwischen Narocz;und Wiszniewsee, 
dann bei Widsy und in dem Räume von Baranowicze. 
Hatten die Russen im März nur die F.ont der Heeres; 
gruppe des GFM. v. Hindenburg angegriffen, ver; 
suchten sie jetzt ihr Glück auch an der Kampfiinie, i ie GFM. 
Prinz Leopold von Bayern verteil igte. 
Am 6. April führten sie mit starken Kräften einen nach; 
tigen Stoß in der S e e n e n g e. Der ward von den Deutschen 
jedoch aufgefangen. Und als £ er Feind am nächsten Tage 
nochmals vorzubrechen versuchte, wurde er wieler abgeniesen. 
Die nächsten Angriffe des Feindes zeugten von rasch 
eingetretener Ermüdung.
	        
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