Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

154 Feldzug gcj 
Die alte Festung Dünaburg, eine Stadt mit 80 000 Ein- 
wohnern und zugleich der Eisenbahnknotenpunkt für die 
Strecken Warschau—Riga und Libau—Petersburg, war von 
den Russen mit einer gewaltigen, modernen Feldbefestigung 
versehen worden, die in weitem Halbkreis nördlich der Stadt 
bei Dweten nördlich Illuxt an die Düna, südlich an die Straße 
Dünaburg—Nowo-Alexandrowska sich anlehnte. Zur Ecleich- 
terung der notwendigen Verschiebungen hatten die Russen 
über den Fluß 7 Kriegsbrücken geschlagen. Westlich reichte 
der Bogen 2? Kilometer von Dünaburg bis Lassen an der 
Bahn nach Libau. Durch dieses schon von der Natur durch 
Seen, Sümpfe, Wälder und Höhen widerstandsfähige Terrain 
zogen sich unzählige, mit allen modernen Hindernissen ans-- 
gestattete und sehr geschickt geführte Verteidigungslinien. 
Die Deutschen gingen vom Norden und Süden gegen die 
Festung vor. Für die Nordgruppe war der Ausgangs- 
punkt Skopischki, von wo aus Ende August der Vormarsch 
durch das sumpfige Gelände ohne Belästigung durch den 
Feind vonstatten ging. Die Deutschen stießen aber uner- 
wartet bald auf die äußere Befestigungslinie. Von diesen 
erwies sich die Stellung bei Poppe in dem Abschnitt Dweten— 
Dwetenbach östlich Lassen als die geeigneste zum Durch- 
bruch. Dieser wurde Mitte September durchgeführt, wor- 
auf vor Illuxt die zweite Linie dem Vormarsch Halt gebot. 
Am 2Z. Oktober erfolgte von feite der Deutschen ein sieg-- 
reicher Sturm auf die Höhe 150 nördlich des Gutes Schloß-- 
berg. Dadurch kam Illuxt selbst in den Besitz der Deutschen. 
Die Kämpfe der deutschen 10. Armee GO. v.Eichhorn 
nach der Einnahme von Kowno. 
Nach dem Fall von Kowno am 18. August 1915 drang 
die deutsche 10. Armee des GO. v. Eichhorn unauf- 
haltsam nach Osten vor. Die Stellungen der Russen an 
der Jesia südlich von Kowno wurden schon zwei Tage später 
aufgegeben, wenn sich auch der Feind nochmals auf der 
Straße gegen Koszedary zu halten versuchte. Dieser Wider-- 
stand konnte jedoch am 28. August vollständig gebrochen 
werden, so daß das Tempo der Verfolgung von feite der 
Deutschen nunmehr erheblich beschleunigt wurde. In- 
zwischen hatte der rechte Flügel der Armee von E i ch h 0 r n 
bei Augustow in der Richtung nach Grodno Erfolge gehabt 
und hatte das dortige Waldgelände durchschritten. Zwischen 
Kalwarja und Snwalki räumten die Russen schon unmittel- 
bar nach der Einnahme von Kowno ihre starken Stellungen 
und zogen sich auf der ganzen Front nach Osten zurück. 
In den Kämpfen östlich des Njemen erreichte die deutsche 
Armee v. E i ch h 0 r n am 29. August Olita, wobei 1600 Ge- 
fangene gemacht und 7 Geschütze erbeutet wurden. In den 
folgenden Tagen nahmen die Kämpfe östlich des Njemen 
ihren Fortgang. 
Bei allen diefen Unternehmungen und auch bei dem folgen- 
den Vormarsch gegen Wilna hatte ein starkes deutsches Kaval- 
leriekorps das Vorgehen begleitet. Es wurde auf dem linken 
Flügel längs der Straße Wilkomierz—Uzjany (70 Kilometer 
nordwestlich Wilna, Uzjany halbwegs Wilkomierz—Dünaburg) 
eingesetzt und verbrachte in der Folge Leistungen, welche für 
die Offensive an diesem Teil der Front ganz besonders ent- 
scheidend waren. Ein Bericht aus dem deutschen Großen 
Hauptquartier gibt eine genaue Darstellung dieser Aktionen. 
Am 9. September 1915 trat das zunächst aus 3Divi¬ 
sionen bestehende Kavalleriekorps an, um im taktischen 
Zusammenhang mit dem rechten, auf Dünaburg vorgehen- 
» Rußland. 
den Flügel der Njemen-Armee zu operieren. Seen-Engen, 
welliges und bewaldetes Gelände, zahlreiche Wasserläufe 
bildeten beiderseits der Straße nach Dünaburg die natür- 
lichen Verteidigungsmittel der dicht aufeinanderfolgenden 
russischen Stellungen. Ein engmaschiges Netz von Schützen- 
gräben und Drahthindernissen erschwerte alle Bewegungen. 
In diesen besonders für die Verwendung großer Reiter- 
Massen außerordentlich ungünstigen Verhältnissen mußte 
dem Kavalleriekorps die zweifache Aufgabe gestellt werden, 
durch ständige Flankenwirkung das Vorgehen des rechten 
Flügels der Armee v. B e l 0 w zu erleichtern und die ruf- 
fische Heereskavallerie aus dem Felde zu schlagen. Schwere, 
aber dankbare Aufgaben für den deutschen Reiterführer 
und seine prächtige Waffe. 
Im Fußgefecht mit der Feuerwaffe wurde die erste Auf- 
gäbe gelöst. Ständige Bedrohung seiner Flanke burch das 
deutsche Kavalleriekorps veranlaßte den Feind, seine starken 
Stellungen zumeist nach kurzem Kampfe mit der frontal 
angreifenden Infanterie zu räumen. Unter dem Druck der 
flankierenden Kavallerie wurden Stellungen aufgegeben, 
die andernfalls nur im erbitterten Angriffsgefecht mit 
großen Verlusten hätten genommen werden können. Selbst die 
ungewöhnlich starken Abschnitte der Seen-Enge bei Anta- 
logi (bei Uzjany) hielt der Feind gegen den am u. Septem¬ 
ber von Süden über Pokolne (im Umkreise von Uzjany) 
durchgeführten Flankenangriff einer Kavalleriedivision nur 
kurze Zeit und trat alsdann einen eiligen Rückzug an. Gleich- 
zeitig mit dieser Aktion bei der Njemenarmee wurden auch 
südlich russische Kavalleriemassen zurückgeworfen. 
Aber den Versuch der Deutschen in einer Entscheidungs- 
schlacht, die am 12. September an der Seen-Enge von Tau- 
rogina (im Umkreise von Uzjany) und nördlich zusammen- 
gezogene feindliche Kavallerie anzugreifen, vereitelten die 
Russen durch ihre Flucht. Vor den über die Linie Dawgeli 
—Tanrogina vorbrechenden deutschen Kavalleriedivisionen 
wichen die russischen Reitermassen eiligst aus. 
Dieses Kavalleriekorvs erhielt nunmehr den Befehl, die 
Operationen der Armee bes GO. v. Eichhorn östlich 
Wilna zu unterstützen, und zwar zunächst durch starken Druck 
gegen ben russischen Nordflügel, später durch eine ausholende 
Bewegung gegen ben Rücken bes Feindes. Unter dem 
Flankenschutz einer seiner Divisionen ging das Kavallerie- 
korps zunächst über Kukuzischki—Labornry (nordwestlich 
Swenzjany) auf Mal. Meshany (12 Kilometer westlich Swenz- 
jany) an der Bahnlinie Wilna—Dünaburg, und über Tau- 
rogina auf Koltynjani (westlich Swenzjany) vor. 
Das waldreiche, von zahlreichen Seen und Sümpfen 
durchschrittene Gelände bot an sich schon schwächeren Truppen 
die Möglichkeit nachhaltigen Widerstandes. Die Aufgabe 
aber verlangte schnelle Raumgewinnung in südöstlicher 
Richtung. Ohne Zögern wurde der Verteidiger der Bahn- 
linie westlich Swenzjany und an den Seen-Engen bei Kol- 
tynjany angegriffen und geschlagen. Trotz feindlichen Wider- 
standes, trotz der Ungunst des Geländes mit seinen tiefen, 
aufgeweichten Wegen, überschritt das Kavalleriekorps be- 
reits am 13.September die Bahnlinie, unterbrach sie an 
wichtigen Punkten und erreichte noch am Abend die Gegend 
von Lyntupy (12 Kilometer südöstlich Swenzjany). Das 
besetzte Schloßgut wurde angegriffen und ein Trupp Kosaken 
daraus vertrieben. Eine Anzahl dieser Reitersleute wurde 
mühelos gefangen. Sie lagen in Haufen und betrunken 
umher zwischen den Gebäuden ber Brennerei. Den Befehl 
ihrer Führer, den dort lagernden Spiritus auslaufen zu
	        
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