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die Österreicher in der Nähe ihrer Quartiere anzugreifen. Und
dieser einzige Angriff war keineswegs auf Befehl des zu Mariano
Kommandierenden ausgeführt worden, sondern nach der persönlichen
Initiative Trevigianos, des Kommandanten der in Lucinico
bequartierten Reiterei. Diese ging eines Tages mittags über den
Isonzo hinüber, um ein Quartier der Kürassiere zwischen Görz und
S. Andrä zu überfallen. Die Venezianer hatten kaum am anderen Ufer
zu einer Attacke angesetzt, als sie auf ihre Flanke schon Kürassiere
unter persönlichem Kommando des Obersten Marradas und eine
zweite Abteilung seiner Leute unter Hauptmann Martin Guertes
losreiten sahen. Hinter diesen war die ganze Görzer Ebene lebendig
geworden: acht bis zehn weitere Reiterkompagnien und Fußvolk
folgten den losgehenden Kürassieren. Trevigiano machte darauf,
ohne es auf den geringsten Zusammenstoß ankommen zu lassen, kehrt
und sucht recht rasch übers Wasser hinüber nach Lucinico zurück¬
zukommen. Die kaiserlichen Reiter ließen aber nicht mehr locker
und ohne Verbände ging’s durch den Isonzo bis vor die Schanzen
von Lucinico hinter dem Feind her. Sie hätten ihn fast noch er¬
reicht, wenn nicht im letzten Augenblick das feindliche Musketen¬
feuer aus den Schanzen vor Lucinico der allzu stürmischen Ver¬
folgung Einhalt geboten hätte.
Don Giovanni Medici übernimmt das venezianische Feldkommando in Friaul.
(10. Dezember 1616.)
Die fortwährenden Mißerfolge des venezianischen Heeres und
die Tatsache, daß aus dem als offensives Unternehmen gedachten
Krieg nur eine kostspielige und schwer gehaltene Defensive vor¬
läufig geworden war, hatte in Venedig recht nachdenklich gestimmt.
Dazu kamen dorthin teils durch die offiziellen Berichte, noch mehr
aber auf privatem Wege Nachrichten, die den Zustand der Quartiere
und Lager, die Verhältnisse in den einzelnen Truppenkörpern wie
im obersten Feldkommando in recht düsteren Farben schilderten.
Es schien dem Senat unter solchen Umständen nicht mehr ratsam,
aus der Reihe der im Feld stehenden Kommandanten und Ab¬
teilungsführer die Persönlichkeit für den nach Giustiniano noch
immer nicht besetzten Posten des operierenden Generals, des
Maestro di Campo, herauszuwählen. Die Situation an der Front er¬
forderte gerade jetzt einen Mann, der bei der auch auf veneziani¬
scher Seite hocheingeschätzten Tüchtigkeit der gegnerischen
Führung besondere militärische Fähigkeiten mitbringen müßte,