Als die nächste Kaste ist die „Society"1) zu betrachten.
Weniger Emporkömmlinge als man glaubt, auch weniger Drang
*ur Mischehe mit europäischen Hochstaplern, zu denen Italien
das größte Kontingent stellt. Hier regiert, wie man an den
immer von einer Dame redigierten Society Columns2) der
Tagespresse entnehmen kann, das Weib: „Society Girl ).
Ein Produkt amerikanischer Hochschulen mit viel Sport, Musik,
religiösem Reformsinn und hundert lateinischen Worten. Dazu
kommen die Parasiten, meistens Berufsreformer und Pfaffen.
Dann die Könige der politischen „Lobby" ), die großen
Parteiherren, „political Bosses“5) genannt, und die Papas,
die Dollarkönige. Dies ist die Society, die in der Tat das Land
tegiett unb bett Sott füt (Ett)iE unb Spolitii angibt* Es ist wichtig,
eine bei einem so jungen Lande unglaubliche Degeneration
des Geschlechtsinstinktes, die aus ursprünglich ganz natürlichen
Ursachen kommt, zu erklären. Jedes Land macht sich von der
Frau sein eigenes Bild. Dies ist in Deutschland die Walterm
am häuslichen Herd, in Rußland die intellektuelle Kameradin,
in Frankreich Freude und Daseinsinhalt und in England von
allem etwas und ein politischer Begriff. In Amerika herrschte
anfangs Frauenmangel. Dieser Umstand und das Bedürfnis,
für die Roheit und Zuchtlosigkeit der eingewanderten Massen
ein passendes Gegengewicht zu finden, führte im Laufe der
Jahre zu der entsetzlichen Erscheinung im amerikanischen
Geistes-, Gesellschaft*- und Familienleben, die ich als den ame¬
rikanischen Masochismus bezeichnen muß. Es ist die Freude
an der Vorstellung von der physischen, geistigen und moralischen
Überlegenheit dieser gedrillten Puppen, als welche die amerika¬
nischen Frauen erscheinen. Diese Bemerkung erscheint wichtig,
denn sie erklärt das ewig knabenhafte Wesen dieser von Frauen
erzogenen Männer. Sie erklärt auch das Problem der uns
unfaßbaren amerikanischen Heuchelei und Hand in Hand damit
jene naive, amerikanische Moralkrankheit, wonach der Zweck
die Mittel heiligt und immer der jeweilig Sympathische recht hat.
Im Jahre 1914 erwachte die amerikanische Gesellschaft
aus ihrem Hasten nach Gold und nach Rervensensatioiien durch
ein im amerikanischen Leben nicht ungewöhnliches Ereignis.
Es war dies das Gespenst eines Krachs, größer als der Stahl¬
krach von 1907. Diesmal handelte es sich um die Folgen eines
*) Die gute Gesellschaft.
*) Columns = Spalten. 3) Mädchen der guten Gesellchaft.,*).Lobby =
Hotelvorraum, Hintertreppen-Politik. 5) Boss — Arbeiterwort für „Chef .
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