§ 8. Die Regierung Salomos (um 970—930)
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Jerusalem, der Ephraimite Jerobeam, das Vertrauen des Königs ge
wonnen hatte und von ihm zum Fronvogt über Ephraim eingesetzt
worden war, reifte in seinem ungestümen Geiste der Entschluß, das
Joch des zentralisierten Staates abzuschütteln. Der gegen Salomo
als einem Gönner der fremden Kulte eifernde Ahia von Silo unter
stützte die kühnen Pläne Jerobeams und prophezeite ihm Erfolg.
Eines Tages ergriff Ahia den Mantel Jerobeams, riß ihn in zwölf
Stücke und gab zehn davon seinem aufrührerischen Stammesgenossen
mit den Worten zurück: »Siehe, ich will das Königtum aus der Hand
Salomos reißen und will dir zehn Stämme geben« (I. Könige n, 31).
Dem König blieben indessen diese hochverräterischen Pläne nicht
unbekannt, und so mußte sein aufständischer Fronvogt nach Ägypten
fliehen, um dort günstigere, Zeiten abzuwarten (s. unten, § 9).
Zu den innerpolitischen Schwierigkeiten gesellten sich auch noch
außenpolitische. In Ägypten war inzwischen eine neue, die XXII.
Dynastie zur Herrschaft gekommen. Der neue Pharao Schischak er
hielt die freundschaftlichen Beziehungen zu Israel nicht mehr auf
recht und gewährte daher Jerobeam gern Zuflucht. Zugleich unter
stützte er einen anderen Flüchtling, den edomitischen Königssohn
Hadad, der sich seinerzeit, nach der Unterwerfung Edoms durch
David, nach Ägypten gerettet hatte. Nunmehr kehrte Hadad in
seine Heimat zurück, zettelte einen Aufstand an und fiel in die israe
litischen Grenzgebiete ein. Um die gleiche Zeit erhoben sich die
Aramäer in Damaskus und vertrieben den dort residierenden israeli
tischen Statthalter. Das langjährige friedliche Königtum Salomos
hatte den kriegerischen Geist der Israeliten geschwächt, und der ver
weichlichte König sorgte nicht genügend für die Abwehr der von
Nord und Süd drohenden Gefahren.
So ballten sich am Ende der Regierung Salomos von neuem
schwere Gewitterwolken am politischen Horizonte zusammen.
Salomo sollte die Krise allerdings nicht mehr erleben. Er starb um
930, nach einer fast vierzigjährigen Regierung. Mit seinem Tode
findet die hundertjährige Periode des Bestehens eines geeinten israe
litischen Reiches ihren Abschluß, eine Periode des intensiven Wachs
tums, die Israel einen hervorragenden Platz unter den anderen gro
ßen Zivilisationen des Orients sicherte. Kurz, aber bedeutungsvoll ist
diese Periode in der Geschichte des israelitischen Volkes. Unter den
drei Königen Saul, David und Salomo kommt es zu einer intensiven
Entfaltung nicht nur der politischen, sondern auch der geistigen
Individualität der israelitischen Nation. Die nationale Religion ent