Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

5 8. Die Regierung Salotnos (um yyo—930) 
Nach der Vollendung des Gotteshauses ging man an die Errich 
tung des Königshauses, die fünfzehn Jahre in Anspruch nehmen 
sollte. Der aus mehreren, durch innere Gänge verbundenen Gebäuden 
bestehende Palast schloß sich unmittelbar an den Tempel an. In der 
»Gerichts-« oder »Thronhalle« war der prunkvolle Königsthron auf 
gestellt. Hier sprach Salomo Recht und empfing die Gesandten 
fremder Länder. Der Hügel im Osten Jerusalems, auf dem sich der 
Tempel und der Königspalast erhoben, war von einer festen Mauer 
umgeben. Es war dies die Akropolis der Hauptstadt Israels. 
Mit Prachtbauten geschmückt, wurde Jerusalem zu einer verkehrs 
reichen Stadt, zum Mittelpunkt des politischen, wirtschaftlichen und 
geistigen Lebens des Landes. Bis dahin in den Kreis der palästinen 
sischen Völkerschaften gebannt, hatte nun Israel Anteil gewonnen 
an den glänzendsten Errungenschaften der altorientalischen Zivili 
sation. Die israelitisch-phönizische Handelsflotte und die Karawanen 
aus fernen Ländern trugen überallhin den Ruhm des erleuchteten, 
»weisen Salomo«, der, gleich den ägyptischen und babylonischen 
Herrschern, seine Regierungszeit in Steinbauten zu verewigen suchte. 
Der König soll auch Sprüche »über die Tiere, die Vögel, das Ge 
würm und die Fische«, d. h. Tierfabeln gedichtet haben. »Aus allen 
Völkern«, kamen Königsboten, um Salomos Weisheit zu vernehmen. 
Um den König »mit Rätseln auf die Probe zu stellen«, erschien eines 
Tages in Jerusalem, wie die Urkunde berichtet, sogar die Königin 
von Saba (wohl Äthiopien) in eigener Person. Sie überzeugte sich, 
daß die Weisheit des Königs von Israel noch viel größer sei, als man 
ihr erzählt hatte, brachte ihm Gold und Edelsteine dar und kehrte 
sodann, auch von ihm reich beschenkt, in ihr Land zurück. Der 
historische Kern dieser Sage liegt in der Tatsache, daß die Entwick 
lung des Seehandels eine Annäherung zwischen den Fürsten ferner 
Länder und dem Herrscher Palästinas angebahnt hatte. Ähnliche 
Sagen haben sich übrigens auch über den Zeitgenossen und Freund 
Salomos, den König von Tyrus, Hiram, erhalten. Die volkstümlichste 
unter diesen Legenden ist die Sage von dem »Salomonischen Urteil«. 
Zwei Frauen, die in einem Hause wohnten und gleichzeitig nieder 
gekommen waren, fanden eines Morgens das eine der neugeborenen 
Kinder tot auf und stritten sich nun darum, wem das lebende Kind 
gehöre. Da ließ Salomo ein Schwert bringen und sprach zu seinen 
Knechten: »Schneidet das lebende Kind entzwei und gebt der einen 
die Hälfte und der anderen die Hälfte!« Entsetzt flehte die eine der 
Frauen den König an, das Kind lieber lebendig der anderen zu geben; 
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