Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

§ 6y. Talmudismus und Antitalmudismus 
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§ 6y. Talmudismus und Antitalmudismus. 
Es ist bereits in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen 
worden, wie sehr der Zusammenschluß der völkerreichen, auf drei 
Kontinente verteilten Riesengebiete zu einem einheitlichen Bereich 
islamitischer Kultur der Konzentration der orientalischen Diaspora 
und der Ausbreitung des Talmudismus zugute kam. Die Rechtsnor 
men und Regeln der religiösen Lebensführung, die von den Gaonen 
und Akademien Babyloniens ausgearbeitet worden waren, galten in 
dieser Periode, die wohl mit Recht als die dynamische Periode des 
Talmudismus bezeichnet werden kann, selbst in den entferntesten 
Zentren des Judentums als maßgeblich. In der Regel waren es die 
aus den verschiedenen Gemeinden einlaufenden Anfragen, die den 
Anstoß zu der Gesetzgebungsarbeit der gaonäischen Zeit gaben. Da 
neben pflegten aber die babylonischen Gelehrten angesichts der 
Schwierigkeiten, die die Interpretation der im Talmud enthaltenen 
Lehrmeinungen bot, diese auch aus eigenem Antrieb in einer über 
sichtlichen Ordnung zusammenzustellen. Einen der ersten Versuche 
einer solchen Kodifikation des talmudischen Stoffes unternahm um 
die Mitte des 8. Jahrhunderts der aus Pumbadita nach Palästina aus- 
gewanderte Gelehrte Achai von Schabcha, der in seinem »Fragen« 
(Scheeloth) betitelten Werk die Sätze der Halacha wie der Aggada 
in der Reihenfolge der Pentateuch-Abschnitte anordnete. Dieses 
Sammelwerk, das Rechtsprobleme und sittliche Belehrungen zu einer 
Einheit verbindet, soll der Überlieferung zufolge dadurch veranlaßt 
worden sein, daß Rabbi Achai den Lehrstoff des Talmud, aus dem 
positive Gesetzesbestimmungen so schwer hergeleitet werden können, 
seinem eigenen Sohne habe näher bringen wollen. In Babylonien 
nahm man das Kodifikationswerk auf direkterem Wege in Angriff. 
Es entstanden dort kurzgefaßte, angeblich auf den Gaon von Sura 
Jehudai (um 760) und einen Gelehrten aus späterer Zeit, Simon 
Kajare, zurückgehende Kompendien, die von mehreren Gelehrten 
generationen immer aufs neue rezensiert und erweitert wurden. Das 
Ergebnis dieser kollektiven Arbeit ist das uns in zwei Rezensionen 
erhalten gebliebene Sammelwerk »Die großen Halachoth«. Indessen 
blieb die in Babylonien eingeleitete kodifikatorische Arbeit in den 
Anfängen stecken, weil die gestrengen Hüter der Tradition das Be 
streben, dem Talmud durch ein zugänglicheres Werk zu ersetzen, als 
eine »Schmälerung des Bereiches der Wissenschaft« ansahen. Die 
Gaonen der folgenden Jahrhunderte, wie etwa Saadia, Hai oder die
	        
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