Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

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Die Entstehung des Volkes Israel 
heißt, daß er »vom Sinai kam« (Deuteronomium 33, 2), der Gott, der 
unsichtbar über der die Israeliten auf ihren Zügen begleitenden hei 
ligen Lade schwebte und als oberster Kriegsherr des nationalen Heeres 
galt, symbolisierte also die Einheit des Volkes und seines Macht 
bereichs sowie die Gerechtigkeit seiner Sache. Ein Gott der histo 
rischen Entwicklung, sollte Jahve, dessen Name noch immer ein ety 
mologisches Rätsel bleibt, sich im Wandel der Zeiten selbst wandeln 
und schließlich zum alleinigen Gott der Welt und der Weltgeschichte 
werden. 
Bei aller Eigenart ihrer Entwicklung war indessen die Religion 
Israels, ebenso wie seine Kultur überhaupt, von Anfang an auch 
mächtigen Einflüssen von außen ausgesetzt. Durch die enge Berüh 
rung mit der babylonischen Kulturwelt kamen die Israeliten schon 
sehr früh in den Besitz jener Vorstellungen von dem Urchaos, der 
Weltschöpfung, der Erschaffung des Menschen u. dgl., die späterhin 
zu der so harmonischen Kosmogonie des »Buches der Genesis« ver 
arbeitet werden sollten (unten, § 15). Nachdem die Stämme Israels in 
Kanaan ansässig geworden waren, mußten sie überdies auch dem Ein 
fluß der einheimischen Kulte unterliegen. Es war dies kein formeller 
Abfall von Jahve, der in der Richterzeit stets als nationaler Gott 
verehrt wurde; doch trug man dabei keine Bedenken, gleichzeitig 
auch noch den lokalen Gottheiten der Urbevölkerung, dem Baal als 
Gastherrn des jeweiligen Wohnortes und Schutzpatron der Boden 
kultur, ebenso wie seiner weiblichen Abwandlung, der Göttin der 
Fruchtbarkeit, Baala (auch Astarte oder Aschera genannt), Opfer 
darzubringen und Weihrauch zu spenden. Das Wort »Baal« wurde 
sogar zu einem Bestandteil israelitischer Eigennamen. So hieß der 
»Krieger Jahves« Gideon eigentlich Jerubbaal. Als Ackerbauern und 
Winzer gleichsam Lehrlinge ihrer fremdstämmigen Nachbarn und 
mit diesen zu einer festen Schicksalsgemeinschaft verbunden, betei 
ligten sich die Israeliten unter anderem auch an den von den Baal- 
und Astarteanbetern gewöhnlich unter freiem Himmel gefeierten 
Jahresfesten. Diese Feste der Ährenreife, der Getreideernte und der 
Weinlese entwickelten sich erst nach und nach zu den rein israeliti 
schen Feiertagen: dem Passah-, Wochen- und Laubhüttenfest (unten, 
§13)- 
Der religiöse Synkretismus, das Nebeneinanderbestehen des Baalis 
mus und Jahveismus, wirkte zwangsläufig auf die Kultformen des 
letzteren zurück. Nach seinem Siege über die Midjaniter stand z. B. 
Gideon nicht an, aus dem erbeuteten Golde eine Bildsäule Jahves
	        
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