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Die Entstehung des Volkes Israel
heißt, daß er »vom Sinai kam« (Deuteronomium 33, 2), der Gott, der
unsichtbar über der die Israeliten auf ihren Zügen begleitenden hei
ligen Lade schwebte und als oberster Kriegsherr des nationalen Heeres
galt, symbolisierte also die Einheit des Volkes und seines Macht
bereichs sowie die Gerechtigkeit seiner Sache. Ein Gott der histo
rischen Entwicklung, sollte Jahve, dessen Name noch immer ein ety
mologisches Rätsel bleibt, sich im Wandel der Zeiten selbst wandeln
und schließlich zum alleinigen Gott der Welt und der Weltgeschichte
werden.
Bei aller Eigenart ihrer Entwicklung war indessen die Religion
Israels, ebenso wie seine Kultur überhaupt, von Anfang an auch
mächtigen Einflüssen von außen ausgesetzt. Durch die enge Berüh
rung mit der babylonischen Kulturwelt kamen die Israeliten schon
sehr früh in den Besitz jener Vorstellungen von dem Urchaos, der
Weltschöpfung, der Erschaffung des Menschen u. dgl., die späterhin
zu der so harmonischen Kosmogonie des »Buches der Genesis« ver
arbeitet werden sollten (unten, § 15). Nachdem die Stämme Israels in
Kanaan ansässig geworden waren, mußten sie überdies auch dem Ein
fluß der einheimischen Kulte unterliegen. Es war dies kein formeller
Abfall von Jahve, der in der Richterzeit stets als nationaler Gott
verehrt wurde; doch trug man dabei keine Bedenken, gleichzeitig
auch noch den lokalen Gottheiten der Urbevölkerung, dem Baal als
Gastherrn des jeweiligen Wohnortes und Schutzpatron der Boden
kultur, ebenso wie seiner weiblichen Abwandlung, der Göttin der
Fruchtbarkeit, Baala (auch Astarte oder Aschera genannt), Opfer
darzubringen und Weihrauch zu spenden. Das Wort »Baal« wurde
sogar zu einem Bestandteil israelitischer Eigennamen. So hieß der
»Krieger Jahves« Gideon eigentlich Jerubbaal. Als Ackerbauern und
Winzer gleichsam Lehrlinge ihrer fremdstämmigen Nachbarn und
mit diesen zu einer festen Schicksalsgemeinschaft verbunden, betei
ligten sich die Israeliten unter anderem auch an den von den Baal-
und Astarteanbetern gewöhnlich unter freiem Himmel gefeierten
Jahresfesten. Diese Feste der Ährenreife, der Getreideernte und der
Weinlese entwickelten sich erst nach und nach zu den rein israeliti
schen Feiertagen: dem Passah-, Wochen- und Laubhüttenfest (unten,
§13)-
Der religiöse Synkretismus, das Nebeneinanderbestehen des Baalis
mus und Jahveismus, wirkte zwangsläufig auf die Kultformen des
letzteren zurück. Nach seinem Siege über die Midjaniter stand z. B.
Gideon nicht an, aus dem erbeuteten Golde eine Bildsäule Jahves