Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

Die Entstehung des Volkes Israel 
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der zugleich als »Schofet« in Ephraim Recht sprach. Als nun im 
Sarontale der Entscheidungskampf mit den Philistern bevorstand, 
zögerte Eli nicht, zwecks Entfachung der religiösen Begeisterung un 
ter den Kriegern das von ihm betreute nationale Heiligtum ins Feld 
hinauszuschicken. Nichtsdestoweniger erlitten die Israeliten eine 
schwere Niederlage. Tausende von israelitischen Kriegern, darunter 
zwei Söhne Elis, blieben auf der Walstatt, während die von den 
Siegern erbeutete heilige Lade erst nach vielen Monaten wieder in 
den Besitz Israels kommen sollte. Die Nachricht von der grauen 
haften Katastrophe traf den greisen Oberpriester wie ein Blitz, und 
er sank auf der Stelle tot zu Boden. Bald fiel auch sein Stammsitz, 
die Stadt Silo mitsamt ihrem Tempel, der Zerstörung anheim, wo 
durch zugleich der Vorzugsstellung Ephraims der Todesstoß versetzt 
wurde. Und doch waren die Einheitsbestrebungen, die schon vor Eli 
in der Wirksamkeit so vieler weitblickender »Richter« ihren Aus 
druck gefunden hatten, nach wie vor rege und lebendig. In der Per 
son eines Jüngers des alten Eli, in Samuel ben Elkana, erstand diesen 
Bestrebungen der tatkräftigste Förderer. 
Die Lage Israels war fast hoffnungslos. In einem beträchtlichen 
Teil Mittel- und Südkanaans mit Einschluß der Grenzmark Judas 
schalteten und walteten philistäische Vögte, die die israelitischen 
Landbewohner entwaffnet hatten und nun nach Gutdünken mit 
ihnen verfahren konnten. Je schwerer jedoch die Fremdherrschaft 
das Volk bedrückte, desto größer wurde seine Widerstandskraft, 
desto stärker sein Wille zur Einheit. Überall im Lande tauchten ver 
zückte Wanderprediger auf, die im Volke den heiligen Zorn gegen 
seine Bedränger wachriefen und seinen sinkenden Mut aufrichteten. 
An der Spitze dieser Prediger oder »Propheten« (Nebiim) stand ein 
Mann, der schon als Kind im Tempel von Silo »dem Dienste vor 
Jahve geliehen« worden war: Samuel. Aus Rama an der Grenze des 
benjaminitischen und ephraimitischen Landesteils gebürtig, eignete 
sich Samuel unter der Obhut Elis die in den Priesterkreisen sorgsam 
behüteten Traditionen an, und das in Vergessenheit geratene Wort 
Moses’ wurde in seinem Munde aufs neue lebendig. Der geläuterte 
nationale Jahve-Kultus als festeste Grundlage für die politische Be 
freiung und Einigung des Volkes — dies war das Programm des zum 
»Schofet« Mittelkanaans gewählten Samuel. Nachdem die benjami- 
nitische Stadt Mizpa zum religiösen Mittelpunkt Israels erhoben 
worden war, fehlte nur noch der militärische Führer, der Hand in
	        
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