Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

Judaismus, Hellenismus und Christentum 
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jüdischen Umsturzbewegung zu werden drohte, griff die römische 
Regierung zu drastischen Vorbeugungsmaßnahmen und verfügte die 
Schließung des seit fast zweieinhalb Jahrhunderten im Bezirk von 
Heliopolis bestehenden »Oniastempels« (oben, § 36), der nach der 
Zerstörung des Jerusalemer Tempels zum allnationalen Heiligtum 
der Juden hätte werden können. 
In schwerster Gefahr schwebten in den Jahren der Volkserhebung 
in Judäa auch die Juden in Syrien. In der syrischen Hauptstadt 
Antiochia war wiederum ein jüdischer Renegat, der Sohn des 
»Archonten« (Obersten) der dortigen Gemeinde, ein gewisser Antio- 
chus, der Wortführer der griechischen Judenhasser. Er verbreitete 
das Gerücht, die Häupter der Gemeinde hätten den Beschluß gefaßt, 
die ganze Stadt in Asche zu legen. Die verhetzte Menge nahm dar 
aufhin mehrere Gemeindeälteste gefangen und verbrannte sie auf 
einem Scheiterhaufen. Viele Juden wurden gezwungen, Opfer »nach 
hellenischem Ritus« darzubringen. Die römischen Behörden begün 
stigten diese Gewalttaten, da sie die Juden auch außerhalb Judäas 
als kriegführende Partei ansahen. Als sich jedoch die antiochenischen 
Judenhasser an Titus, der nach der Einnahme von Jerusalem durch 
Syrien zog, mit der Bitte wandten, die »Feinde Roms« ganz aus 
Antiochia zu vertreiben, erklärte der siegreiche Kaisersohn, dies sei 
schon aus dem Grunde unmöglich, weil es nach der Verwüstung 
Judäas kein Land mehr gebe, wo die ausgewiesenen Juden Unter 
kunft finden könnten. 
In Rom selbst war zwar die jüdische Gemeinde vor Ausschreitun 
gen des Pöbels geschützt, doch war ihr Geschick auch dort überaus 
wechselvoll. Unter Tiberius hatte sie eine Zeitlang wegen der ihren 
Mitgliedern zur Last gelegten Agitation gegen die Staatsreligion 
Schweres zu erdulden (19—31). Tausende von römischen Juden 
wurden nach Sardinien verschickt, wo sie gegen die Räuberbanden 
kämpfen mußten, die die Insel unsicher machten. In der Regierungs 
zeit des Claudius und Nero wurde die mit Mühe und Not wieder 
aufgebaute Gemeinde im Zusammenhang mit den Christenverfolgun 
gen von neuen Prüfungen heimgesucht. Nach dem Zusammenbruch 
Judäas war die Trauer in der Diaspora wohl nirgends so groß wie 
in der siegestrunkenen Hauptstadt des Feindes. Das einzige, was die 
dortige jüdische Kolonie zur Linderung des Volkselends zu tun ver 
mochte, war der Loskauf der in Sklaverei geratenen Brüder. Diese 
befreiten Gefangenen wurden zu Mitgliedern der Gemeinde von Rom
	        
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